Kommentar: Ende einer Geisterbahn ■ Bundesbahn verzichtet auf Uralterfindung Transrapid
Bevor Hartmut Mehdorn die Deutsche Bahn übernahm, hat er die Heidelberger Druckmaschinen AG ökologisch modernisiert. Als er deswegen zum Umweltmanager des Jahres 1999 gewählt wurde, hat er sich gewundert. Er habe nämlich nur nachgerechnet und festgestellt, dass Umweltschutz sich lohnt. Statt etwa an die Müllabfuhr zwei Millionen Mark zu zahlen, hat Mehdorn seine Abfälle für drei Millionen Mark an Wiederverwerter verkauft – das sind die Rechnungen, die ihm gefallen.
Pech für die Transrapid-Lobby, dass dieser Mann Chef der Deutschen Bahn AG geworden ist. Er will das marode Staatsunternehmen an die Börse bringen, und gestern hat er wieder vorgerechnet. Es gehe ihm „nicht in den Kopf“, dass man „für zwanzig Minuten Zeitersparnis zwölf Milliarden Mark ausgeben muss“.
Ende einer Geisterbahn. Der Transrapid wird nicht gebaut, jedenfalls nicht von Hamburg nach Berlin. Jeder, der auch nur halbwegs mit diesem Uraltprojekt vertraut war, wusste zwar schon immer, dass es sich nicht lohnt. Nicht zuletzt die Industrie wusste das. Aber darauf kam es nicht an. Die Transrapid-Konstrukteure haben es bisher immer geschafft, ihr Spielzeug den jeweiligen Regierungen als nationale Staatsaufgabe zu verkaufen. Ausgerechnet eine Erfindung aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts sollte beweisen, dass Deutschland an der Spitze des technischen Fortschritts steht.
Das war schon immer Unsinn, und die Wahrscheinlichkeit, dass die Stelzenbahn nicht nur fantasievoll geplant, sondern tatsächlich gebaut wird, war daher minimal. Jetzt wird nicht einmal mehr der Schein gewahrt. Die Bundesbahn spielt nicht mehr mit – das einzige Unternehmen, das als Betreiber in Frage kam. Die (wenigen) Bürgerinitiativen, die gegen die Streckenplanung protestiert haben, können ihre Transparente einpacken und sich ernsteren Problemen zuwenden.
Doch auch Hartmut Mehdorn, der Kopfrechner, weiß, dass er Siemens entgegenkommen muss. Man könnte doch den Transrapid in Berlin fahren lassen – vom Lehrter Stadtbahnhof zum Flughafen Schönefeld. Die Idee ist absurd und auch nicht neu. Aber was die Minute Zeitersparnis dort kosten würde, muss ja nicht Mehdorn ausrechnen. Das ist Sache des Berliner Finanzsenators und daher kein Grund zur Sorge. Auch diese Teststrecke bleibt auf dem Papier. Niklaus Hablützel
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