Kommentar: Ein zynischer Witz ■ CDU ernannte sich zum Erben jüdischer Emigranten
Die Juden also! Die Juden haben die Christdemokraten in Hessen in diesen Schlamassel gebracht. Die Juden und ihr Geld. Ex-CDU-Schatzmeister Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein hatte, als der Schwarzgeldskandal noch nicht so offenbar war, durchblicken lassen, die vielen Millionen Mark in der Parteikasse stammten aus Vermächtnissen verstorbener deutscher, in die Schweiz emigrierter Juden. Wer es hörte, nahm das hin. Bei dem Wort „Juden“ verstummt man in Deutschland erst mal vorsichtshalber.
Jetzt erfahren wir: Nichts daran ist wahr. Der Prinz hatte sich das mit den Juden bloß ausgedacht. Ein prinzlicher Witz? Ein Witz ist das nicht. Das ist eine zynische Unappetitlichkeit aus Deutschland. Aber wenn das ein jüdischer Witz wäre, hätte auch dieser seinen wahren Hintergrund, und der würde etwa so aussehen:
Da könnte ein gewisser Moische Fischel, ehemals aus Offenbach in Hessen, dann verstorben in Genf, möglicherweise unter dem Namen Maurice Fiscal, im gesegneten Alter von 89 Jahren, seiner Lieblingspartei, der CDU (es gibt nicht nur solche, sondern nebbich auch solche Juden) sagen wir 100.000 Mark vermacht haben. Das war vielleicht vor zwanzig Jahren. Prinz Casimir, damals CDU-Finanzchef, könnte das Geld entgegengenommen und sich gedacht haben: Sentimentaler Jud, hat der das nötig? Wahrscheinlich behielt er die Geschichte für sich. Nach seinem feinen Geschmack mochten zu viel Blut und Tränen daran kleben. Als dann die hessische CDU in Geldnot kam und überlegte, wie sie ihre Millionen heim ins Reich bringen könnte, fiel dem Prinzen Moische Fischel selig wieder ein. Welche Auslandsdeutschen könnten deutschen Politikern Geld vermachen wollen? Nicht die Ausgewanderten. Nur die Hinausgeworfenen. Nur die in ihrer Seele tief Gekränkten mit der Sehnsucht nach Anerkennung in Deutschland. Die deutschen Juden. Hatten sie nicht das Geld rausbringen können irgendwie damals? Und hatten sie es nicht in der Schweiz vermehrt, das Judengold? Das Nazigold? Das Judengold? Und dann war da noch das Wort „Juden“.
Weil an dieser Geschichte das meiste erfunden ist, bleibt übrig: Für die CDU-Geldgeschichten missbrauchte der Prinz alles, was in Deutschland mitschwingt, wenn es heißt: Die Juden und ihr Geld. Die Juden und ihr Geld? Die Deutschen und ihr Geld! Viola Roggenkamp
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