Kommentar: Augen zu und durch ■ Hessens FDP-Minister kämpfen für Koch – um ihre Jobs
Verrottet sei die FDP in Hessen, weil sie in Treue fest weiter zum „Lügner“ Roland Koch stehe. Das diagnostizierte Priska Hinz, die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Wiesbadener Landtag. Eine Ampelkoalition von Grün über Gelb zu Rot – und sei es zum Sturz der derzeitigen Regierung – werde es daher auf keinen Fall geben. Weshalb dieser ohnehin nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag der SPD denn auch gestern schon wieder umgehend in der Versenkung verschwand.
Bisher nehmen die Liberalen Hessens es jedoch klaglos hin, als „verrottet“ desavouiert zu werden. Sie wollen sich – obwohl sie vor dem Offenbarungseid von Koch noch das Gegenteil erklärten – nicht von den beiden Ministerposten trennen, die sie erst vor knapp einem Jahr überraschend errungen hatten. Denn dass es nach einer Neuwahl in Hessen – trotz prognostizierter Zugewinne für die FDP durch frustrierte ehemalige CDU-Wähler – nicht mehr zu einer Neuauflage der derzeitigen Wiesbadener Koalition mit der erodierenden Union reichen wird, ist allen Beteiligten klar.
Wissenschaftsministerin Ruth Wagner, die auch Landesvorsitzende der hessischen FDP ist, kämpft also um ihren Job. Und zwar um jeden Preis – wenn es sein muss, auch gegen das Präsidium und den Bundesvorsitzenden der eigenen Partei, die um die FDP-Aussichten bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen fürchten. Wie ein Mann steht auch die kleine, aus (nur) sechs Abgeordneten bestehende Fraktion hinter der resoluten Frau Wagner. Augen zu und durch: mit Roland Koch gegen Gott und alle anderen.
Ist das der absurde politische Amoklauf einer kleinen, verrotteten Partei in Hessen? Ganz bestimmt. Aber gleichzeitig gehört dies so verlässlich zur FDP wie Bangemann zu Möllemann, wie Schwarzgeld zu Graf Lambsdorff. Aussitzen lohnt sich. Der Graf der FDP ist auch nicht nur erneut ein Ehrenmann geworden, sondern auch Verhandlungsführer der Bundesregierung in heiklen Geldangelegenheiten. Und Möllemann kommt wieder – gewaltig.
Ist die FDP in Hessen also tatsächlich eine verrottete Partei? Ja. Sie wird sich treu bleiben – und Koch. Hoffentlich reicht es bald allen Noch-FDP-Wählern. Und zwar endgültig.
Klaus-Peter Klingelschmitt
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