Kommentar: Lockruf der Wüste
■ Warum die GAL doch noch eine Chefin bekommen könnte, die sie verdient hat
Das hätten Hamburgs Grüne auch einfacher haben können. Aber so ist sie nunmal, die GAL, und warum sollte da die Suche nach einer Parteivorsitzenden geräuschlos und politisch-taktisch geschickt ablaufen.
Es bedurfte schon mehr als sanften Drucks, um Anja Haj-duk in die Pflicht zu nehmen, es bedurfte eines politischen Offenbarungseides. Als nichts anderes war der Vorstandsbe-schluss zu verstehen, die lange und ergebnislose Fahndung nach einer neuen Chefin abzubrechen und mal so eben ohne Vorsitzende in einen überlebenswichtigen Bundestagswahlkampf zu ziehen. Parteiintern jedoch hatte er zugleich die Funktion einer Zähmung der wenigen in Frage kommenden Widerspenstigen. Eine zumindest verstand das SOS-Signal.
Nicht, dass Anja Hajduk eine schlechte Wahl wäre. Sie ist ein strategisch denkender Kopf, und mangelnde Durchsetzungsfähigkeit hat ihr noch niemand nachgesagt. Auch genießt die Reala reinsten Wassers strömungsübergreifend durchaus Anerkennung. Und wäre sie nicht eine so glasklare Pragmatikerin, dass sie selbst mit politisch sehr Nahestehenden gelegentlich Zoff hat, wäre sie mehr als nur respektiert. Allerdings zeugt Hajduks jetziger Widerruf ihrer Absage nur sehr bedingt von einer klaren Linie.
Aber damit geriete sie als Vorsitzende kaum in Konflikte mit ihrer Partei. Die hatte erst nach der vergeigten Bürgerschaftswahl den alten Vorstand samt der Beisitzerin Hajduk in eben die Wüste geschickt, in die sie jetzt lockend hineinrief.
Und Hajduk ruft zurück.
Sven-Michael Veit
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