piwik no script img

Kommentar zur Schüler-FahndungTiefer Griff in die Fahndungskiste

Mit DNA-Tests will die Polizei demonstrierenden Schülern auf die Schliche kommen.

Diese DNA-Suche nach Schülern zeigt exemplarisch den schleichenden Umbau des Rechts- in den Sicherheitsstaat. Die Schüler hatten im Eifer einer Bildungsdemonstration die Humboldt-Universität gestürmt und dort eine Ausstellung über jüdische Unternehmer im Nationalsozialismus erheblich beschädigt. Die Polizei sucht die Täter mit allem Nachdruck - so weit, so gut. Aber sie greift viel zu tief in die Kiste mit den Strafverfolgungsinstrumenten.

Aufkleber, die Schüler mit ihrer Spucke angebracht hatten, sollen jetzt auf DNA-Spuren hin untersucht werden, um so die Schüler zu finden. Bedenklich daran ist, dass ein konkreter Tatverdacht bei dieser Suche mit den Gendaten nicht mehr benötigt wird. Es reicht ein bloßer Vorverdacht: Es könnte ja sein, dass die gleichen Schüler, die die Aufkleber hinterlassen haben, auch die Plakate der Ausstellung zerrissen haben. Vielleicht war es sogar jemand aus der Aufkleber-Truppe, der "Scheiß Israel" rief. Das ist zwar reichlich unwahrscheinlich - aber man kann es auch nicht völlig ausschließen. Dieser Vorverdacht reicht der Polizei aus: Wenn die Staatsgewalt mit Blaulicht und Tatütata vorfährt, bleibt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf der Strecke und die Rechte der Bürger kommen unter die Räder.

Was früher noch als absurd galt, ist heute schon normal: Dieser Wandel vollzieht sich nirgendwo so schnell wie bei der inneren Sicherheit. Wer hätte es vor 20 Jahren für möglich gehalten, dass Polizisten eines Tages in eine Wohnung einbrechen dürfen, um dort Abhörgeräte zu verstecken? Wer hätte gedacht, dass einmal festgehalten wird, wer wann mit wem wie lange telefoniert? Beides ist inzwischen Gesetz - Stück für Stück greift sich der Staat, was ihm nicht zusteht. Fortsetzung folgt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • M
    max

    vielen dank für diesen kommentar.

    die tatsache, dass mit dna-fahndung demonstrationsteilnehmern nachgespürt wird bedarf besonderer hervorhebung, weil sie verdeutlicht, dass immer wieder gilt: wenn man der polizei und den ermittlungsbehörden neue rechte gibt, dann werden diese genutzt, und zwar nicht - wie von konservativer seite immer wieder betont - mit augenmaß und sinn für die verhältnismäßigkeit, sondern bis zum anschlag und darüber hinaus.

    es wurden bereits zuvor polizisten dabei beobachtet, wie sie nach einem demonstrationszug liegengebliebene kippen aufsammelten und in plastiktütchen verpackten.

    was genau mit solchen dna-daten passieren soll, scheint außer der polizei niemanden zu interessieren. denn allein durch den nachweis, dass jemand an einer demonstration teilgenommen hat, oder einen aufkleber geklebt hat, kann keine straftat nachgewiesen werden. das ist schlicht unmöglich (und für den möglichen vorwurf der sachbeschädigung darf mit dna-entnahme garnicht gearbeitet werden). es bleibt also, dass die polizei vor allem ihren bestand an dna-datensätzen erweitert. irgendjemand scheint es für wichtig zu halten, bei einem möglicherweise zu einem späteren zeitpunkt dna-behandelten straftäter auch noch zu wissen, an welchen politischen veranstaltungenn er so teilgenommen hat