Kommentar zur Schredderaffäre: Den Ruf vollends ruiniert
Obwohl seit Monaten über die NSU-Terrorzelle diskutiert wird, schreddert der Verfassungsschutz Akten. Das muss Konsequenzen haben.
L angsam wird es schwer, richtig schwer, nicht mehr an Böswilligkeit zu glauben. Der verschwiegene V-Mann und NSU-Helfer des Landeskriminalamts. Dessen versandeter Hinweis auf das Terrortrio 2002. Und nun die geschredderten Neonazi-Akten des Verfassungsschutzes. Alles Missgeschicke?
Da lässt ausgerechnet der für Rechtsextremismus zuständige Referatsleiter Neonazi-Akten zerhäckseln – im Juni, nach Monaten NSU-Debatte. Und obwohl längst klar ist, wie sehr die Zelle durch Protagonisten der rechten Musikszene gefördert wurde. In Berlin stehen Aktenordner zu deren führender Band: „Landser“. Ab in den Schredder! Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Der Mann hat von seinem Fach keinerlei Ahnung. Oder er wollte etwas verschwinden lassen. Im Resultat ist beides verheerend: Material wurde zerstört, das hätte helfen können, eine Mordserie aufzuklären.
Auch Schmid hat versagt
Behördenchefin Claudia Schmid steht nicht besser da. Warum fragte sie das Landesarchiv erst jetzt – nicht schon nach Bekanntwerden des NSU –, ob es dort etwas zu dem Trio gibt? Müssten sich doch gerade in den Alt-Akten Informationen zu den 1998 Untergetauchten finden. Und warum erteilte Schmid nicht von sich damals einen Schredderstopp für ihre Akten, sondern erst nach Aufforderung durch den Bundestag?
Für ihren Job haben sich nun Chefin wie Referatsleiter hinreichend disqualifiziert. Der Bundeschef des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, trat im Juli nach einer ähnlichen Schredderaktion zurück – um das Ansehen seiner Behörde zu retten. Auch wenn ihm seine Berliner Kollegen folgen sollten: Der Ruf des Sicherheitsapparats ist längst ruiniert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!