Kommentar zur Pius-Bruderschaft: Zwang zum Bekenntnis
Das PR-Desaster des Vatikans in den vergangenen Tagen hat Spuren in der katholischen Kirche hinterlassen. So werden aber endlich mal die Fronten geklärt.
M an soll ja nicht alles gesundbeten. Aber wenn der Rauch verzogen ist, der spätestens seit der Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel wie Weihrauch das ganze Kirchenschiff vernebelt hat, dann wird man vielleicht sehen: Die Affäre um den Holocaust-Leugner Richard Williamson und seine drei anderen Pius-"Bischöfe" hatte auch ihr Gutes.
Wie das? Sicher, einerseits hat das Ende der Exkommunikation der ultratraditionalistischen "Bischöfe" der katholischen Kirche nach außen und nach innen sehr geschadet. Da sind, um nur das Offensichtliche zu nennen, viele Kirchenaustritte, ein stark belastetes Verhältnis zum Judentum, ein heftiger interner Streit innerhalb der Kirche, ein Autoritätsverlust des Papstes, ein PR-Desaster für den Vatikan und vor allem die Befürchtung, dass nun Konzilsfeinde und Antisemiten innerhalb der Kirche wieder hoffähig sind.
Andererseits birgt die Krise auch Zeichen der Hoffnung. Durch die ganze Affäre wurden Papst Benedikt XVI. und nicht zuletzt die deutschen Bischöfe dazu gezwungen, sich deutlich zum Zweiten Vatikanischen Konzil und seinen reformorientierten Errungenschaften zu bekennen. Der Papst wurde, auch dank Merkels Protest und der Kritik vieler Bischöfe, einmal seinem Wolkenkuckucksheim entrissen. Er musste öffentlich zurückrudern - und womöglich ist er ja auch mal zum Nachdenken darüber gekommen, mit was für Beratern er sich umgibt und wo seine wahren Freunde stehen. Das besondere Staat-Kirche-Verhältnis in Deutschland wurde wieder etwas zurechtgerückt. Im Vatikan dürfte klar geworden sein, dass Rom nicht blind durchs politische Feld stolpern kann, ohne auch politische Kritik zu erfahren.
Schließlich wird die unsägliche Pius-Priesterbruderschaft dank des Drucks auf und durch den Papst dazu genötigt, sich entweder klar zum Konzil zu bekennen - oder endgültig außerhalb der Kirche zu bleiben. Bis dahin bleiben die exkommunizierten "Bischöfe" suspendiert. Die Pius-Bruderschaft insgesamt ist gespalten, ob sie das Konzil anerkennen soll oder nicht. Sollte sie dies doch tun, wäre das Schisma der Kirche beendet. Dann hätte die Affäre am Ende doch ihr Gutes gehabt. Ein wenig Hoffnung ist angebracht.
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