Kommentar zur FU: Über sich selbst erschrocken
Der FU hätte man bei der Verweigerung der Honorarprofessur mehr Mut zugetraut.
D ie Freie Universität ist offenbar erschrocken über ihre eigene Entschlossenheit. Kurz bevor Hans-Georg Maaßen als künftiger Chef des Bundesverfassungsschutzes ausgewählt wurde, hat die Uni ihm eine Honorarprofessur verweigert – wegen seiner fragwürdiger Rolle in der Affäre um den Bremer Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz. Ein ungewöhnlicher Vorgang: In der Regel winken Unis ihre Honorarprofessuren einfach durch.
Die Entscheidung der FU ist richtig. Denn sie erinnert daran, dass Hochschulen keine Elfenbeintürme fern der Gesellschaft sind. Was dort gelehrt und geforscht wird, dient nie nur dem Selbstzweck. Es hilft einer Gesellschaft, sich selbst besser zu verstehen und im besten Fall ein Stück fortschrittlicher und gerechter zu werden. Das gilt für Sozial- und Rechtswissenschaften natürlich besonders. Im Fall Kurnaz war es Maaßens juristische Expertise, die mit dazu beitrug, dass einem unschuldigen Guantánamo-Häftling viel zu lange die Einreise nach Deutschland verweigert wurde.
Debatte über Grundwerte
Man kann darüber streiten, welche Grundwerte eine Hochschule leiten sollten. Aber es ist notwendig, sich ihrer immer wieder zu vergewissern. Die Besetzung einer Honorarprofessur, ohnehin eher ein Instrument der Imagepflege, ist dafür eigentlich eine dankbare Gelegenheit.
Seltsam also, dass die FU nicht offen zu ihrer Entscheidung steht. Sobald es politisch brisant wird, zieht man sich dort erschrocken ins Elfenbeintürmchen zurück, statt den Anlass für eine Debatte über das Selbstverständnis als Hochschule zu nutzen. Von der FU darf man mehr Mut erwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gegen den Trumpismus
Amazon-Boykott, jetzt!
Talkshowgast Alice Weidel
Rhetorisches Rollkommando
Kampf um Kanzleramt
Er wird weichen müssen
Bundestagswahl in Deutschland
Sollten wir strategisch wählen?
Flucht und Migration
Das Messer im Kopf
Linkenkandidat Sören Pellmann
Roter Rettungsschirm im Gegenwind