Kommentar zur Broschüre vom Verfassungsschutz: Aufruf zur Denunziation
Die Kriterien für die Radikalisierung von Muslimen sind diskriminierend: Bei Nicht-Muslimen würde danach zu Recht niemand fragen.
E s könnte so schön einfach sein: Muslimische Mitarbeiter vor Schichtbeginn auf die Waage – wer abgenommen hat, wird den „Sicherheitsbehörden“ gemeldet, wegen des Verdachts auf ein Doppelleben als salafistischer Terrorist. Aber so einfach ist auch die Welt des Uwe Schünemann nicht. Deshalb hat sein Ministerium ja auch noch 29 weitere Kriterien entwickelt, anhand derer die salafistische Gefahr erkannt werden soll.
Man muss sich ihren Gehalt noch mal vor Augen führen: Veränderte Ess- und Kleidungsgewohnheiten, Bedürfnis nach Privatsphäre, finanzielle Schwankungen. Alles Phänomene, die man bei Nicht-Muslimen wahlweise mit neuer Liebe, Liebeskummer, Weltschmerz oder einem mehr oder minder glücklich verlaufenen Besuch am Roulettetisch erklären würde – und nach denen mit Recht niemand fragt. Spätestens dann wird klar, dass ihre spezielle Betrachtung bei Muslimen nur eines ist: diskriminierend.
Natürlich haben Schünemann und seine Ministerialen sich dagegen abgesichert, als allzu naiv dazustehen. Den Radikalisierungskatalog definierten sie schlicht als nach oben offen. Implizit steckt darin die Aufforderung, nicht nur jene zu denunzieren, die die amtlichen Kriterien zu erfüllen scheinen – sondern auch noch ständig eigene, neue Verdachts-Merkmale zu suchen und zu finden.
Damit erzeugen sie am Ende ein Klima des Argwohns und der Angst.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren