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Kommentar zur Berliner OppositionKeine Opposition. Nirgends?

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Noch haben Grüne, Linke und Piraten keine Strategie gegen Rot-Schwarz. Oppositionsgewinner könnte deshalb die direkte Demokratie sein

B ei Rot-Rot waren die Rollen klar verteilt: Da gab es einen "linken" Senat aus SPD und Linkspartei und eine "bürgerliche" Opposition aus CDU, Grünen und FDP. Nicht einmal vor einer strategischen Zusammenarbeit schreckte dieses Jamaika-Bündnis zurück. Friedbert Pflüger (CDU), Volker Ratzmann (Grüne) und Martin Lindner (FDP) verstanden sich prächtig - bis die oppositionelle Männerfreundschaft zerbrach, weil Pflüger von der eigenen Partei vom Hof gejagt wurde und Lindner in den Bundestag zog.

Wenig Gemeinsamkeiten

Nun sind rund hundert Tage Rot-Schwarz vergangen, aber ein einheitliches Etikett für die Opposition gibt es noch immer nicht. Ist es eine alternative Opposition, weil Grüne, Piraten und Linke aus einem anderen Milieu kommen als die "Volksparteien" SPD und CDU? Oder trennen Grüne und Piraten einerseits und die Linkspartei andererseits nicht nur die S-Bahn-Frage, sondern auch sonst politische Welten? Die einen setzen auf Modernisierung, die anderen wollen den Sozialstaat bewahren?

Noch schwieriger wird es, wenn man einen Ausblick auf die nächsten hundert Tage oder gar fünf Jahre geben soll. Wer wird die Meinungsführerschaft in der Opposition übernehmen? Und welches Gesicht prägt Rot-Orange-Grün?

Für die Grünen, das lässt sich immerhin prognostizieren, wird es schwer. Sie liegen in vielen Punkten nicht weit genug von Rot-Schwarz entfernt, um daraus Kapital schlagen zu können. Die Linke wiederum setzt ganz auf Rekommunalisierung - und wirkt dabei etwas altbacken. Und die Piraten? Die suchen sich noch.

Eigentlich können sich die Senatoren von SPD und CDU also zurücklehnen. Noch nie war Regieren in Berlin so einfach wie heute. Tatsächlich?

Ja, vermutlich schon - zumindest, wenn man die Opposition im Abgeordnetenhaus betrachtet. Das ist die Bilanz der ersten hundert Tage.

Allzu gemütlich sollten es sich SPD und CDU dennoch nicht machen. Neben der Opposition im Parlament gibt es noch die Mut- oder Wutbürger. Gut möglich, dass Rot-Schwarz die Koalition der Volksbegehren wird. Und nicht unwahrscheinlich, dass die direkte Demokratie in den kommenden Jahren die Oppositionsführerschaft übernimmt.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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