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Kommentar zur Anti-Nazi-BlockadeJeder Einzelne zählt

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Warum der 1. Mai in diesem Jahr wichtiger ist als in den Jahren zuvor.

Schon klar. Lange nicht mehr lag der 1. Mai so günstig wie in diesem Jahr - für ein verlängertes Wochenende im Grünen. Eigentlich stehen dem nur zwei Dinge entgegen. Zum einen verspricht der Wetterbericht alles andere als ein pralles Mai-Wochenende. Vor allem aber sollte jeder überlegen, ob er Haus und Hof der unliebsamen Verwandtschaft überlassen will, die die Stadt besuchen wird.

Am 1. Mai wollen Rechtsextreme durch Prenzlauer Berg demonstrieren. Vielleicht kommen 1.000. Vielleicht 3.000. Zwar könnte man sie einfach auch mal durch Nichtbeachtung bestrafen. Allerdings haben sich die Nazis in den letzten Monaten in Berlin gehörig aufgeplustert. Am Samstag wird sich zeigen, ob zu Recht oder nicht. Genau deshalb ist Gegenprotest angesagt.

In den vergangenen Jahren gab es zwei Versuche der NPD, an symbolträchtigen Tagen in Berlin Präsenz zu zeigen. Am 1. Mai 2004 wollten sie von Lichtenberg aus nach Friedrichshain ziehen. Die Polizei setzte - wie es ihre Pflicht ist - die Route gegen ein paar tausend Gegendemonstranten durch. Erst als Antifas auf der Frankfurter Allee Autos anzündeten, wurde die NPD-Demo abgebrochen.

Ein Jahr später, zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 2005, versuchten es die Nazis erneut. Da standen sie stundenlang am Alexanderplatz, bis ihnen die Polizei als einzige Laufstrecke den Weg zurück in den S-Bahnhof gewährte. Autos brannten nicht. Aber rund um den Alexanderplatz hatten weit mehr als 10.000 Gegendemonstranten alle Wege blockiert. Es blieb friedlich.

Genau dies sind die beiden Möglichkeiten, die es der Polizei erlauben, auf die Durchsetzung der genehmigten Nazi-Demo zu verzichten: massive Gewalt von Gegendemonstranten. Oder eine Masse von Gegendemonstranten, deren gewaltige Zahl einen Polizeieinsatz nicht mehr opportun erscheinen lässt. Friedlicher Widerstand ist also möglich. Aber nur, wenn jeder Einzelne sich aufrafft und den Nazis in den Weg stellt.

Der Einsatz könnte sich zudem gleich doppelt lohnen. Denn der Verlauf des Nachmittags dürfte maßgeblich die Stimmung am Abend beeinflussen. Zwar garantiert ein friedlicher Protest in Prenzlauer Berg noch lange keine Ruhe in Kreuzberg. Doch bei Krawall am Nachmittag wird sich derselbe Mist am Abend sicher wiederholen.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters

7 Kommentare

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  • K
    knorke

    @An icke:

     

    Viel Spaß wünsch ich Dir!

    Die leichteste Übung scheint doch immer zu sein, die anderen zu entmenschlichen; dann darf man eben alles. Leider wird dies zu einer Tendenz, einem Charakterzug, der sich weiter fortsetzen wird und schließlich jede Meinung und deren Vertreter, die anders ist als die eigene, entmenschlicht und das Recht geibt, ihn zu vernichten. (Kennen wir ja - ob Juden, jetzt Moslems, Nazis: Immer haben die anderen Schuld; das entbindet mich so schön, meine eigenen Probleme anzuschauen...)

    Also noch einmal: Viel Glück und Spaß beim Krieg für den Frieden!

    "Es gibt keinen Weg zum Frieden - Frieden IST der Weg"

  • LW
    Lisa Wendt

    Es ist ein Unding, dass die Nazibrut hier in Deutschland wieder demonstrieren darf und ihre Menschen verachtenden Parolen verbreiten darf. Jede Form von Rechtsextremismus muss verboten werden. Das schulden wir bis in alle Ewigkeit der deutschen Geschichte. Ein Unding, dass das NPD-Verbot nicht durchgesetzt wurde.

  • I
    Icke

    @ knorke: Meinst du, in Deutschland würde der demokratische Geist sich besser entwickeln, wenn man Menschen marschieren lässt, die zum "Nationalen Sozialismus" aufrufen?

     

    Natürlich haben sie das demokratische Recht zu demonstrieren. Aber sie demonstrieren für die faschistische Diktatur.

     

    Gerade aus diesem Grund gehen wir morgen auf die Straße und verhindern ihren Vormarsch.

  • L
    Lia

    Wir gehen morgen raus mit der ganzen Familie. Diese Panik ist doch nur der Springerpresse zu "verdanken". Liebe Prenzlberger, lasst uns morgen zeigen, das wir keine spießigen gutbürgerlichen Feiglinge sind, die nur links sinnd, wenn sie Fair Trade Kaffee trinken. Kommt alle mit zu den Kundgebungen oder geht einfach normal auf die Spielplätze und Cafes. Niemand wird hier angezündet. Wir können uns doch nicht verstecken vor den "bösen Menschen". Wir müssen einfach zeigen, dass wir mehr sind und stärker. In diesem Sinne, bis morgen.

  • K
    knorke

    In Deutschland wird wohl nie ein demokratischer Geist herrschen: Wenn jemand anderer Meinung ist, wird er gemobbt. Nichts anderes sind die "Gegendemonstranten", Mobber, die das Inanspruchnehmen demokratischer Rechte verhindern möchten: Mit der typischen Arroganz, "im Recht" zu sein und so alles zu dürfen. All diese Blockaden sind nichts weiter als ein gewaltiges Armutszeugnis - und die ach so demokratische TAZ mißbraucht sich selbst als Propagandaorgan. Dike unerträgliche Borniertheit gewisser Linkengruppen, die nur noch mit Worthülsen argumentieren können ("Naziauto, darf man abfackeln", "alles Scheiße", "Deutschland Scheiße", der "Kapitalismus ist an allem Schuld" et. etc.), die von solch einer Ödheit und Gehirnlosigkeit sind, daß es jeder Beschreibung spottet.

     

    "Wer mit Zwanzig nicht Links ist, hat kein Herz,

    Wer mit Vierzig nicht Rechts ist, hat kein Gehirn."

    (Dr.Viehlguuhd)

     

    In diesem Sinne: Auf ins Grüne, mit Auto, damit's nicht abgefackelt wird. (Hab nen Naziauto - Volvo, 10 Jahre alt!)

  • F
    Frank

    Auch ich bin darum etwas besorgt. Ob es gelingen wird, sich bei Anzeichen von Gewalt von den Krawallbrüdern rechtzeitig und wirksam zu distanzieren...

     

    Andererseits, wie bei der Anti-Atom-Menschenkette letzte Woche: Wenn es so einfach ist wie für mich und meine Freundin einfach "vor die Haustür zu treten" - dann gibt es keine Ausrede mehr meine Nachbarschaft braunem Unfug zu überlassen !

     

    Mir reicht es schon, dass meine (dunkelhäutige) Freundin hier in P-Berg wohlgelitten ist... ein paar Kilometer nördlich aber schon die ersten hochgezogenen Augenbrauen und dämlichen Blicke auf sich zieht.

     

    Es ist wohl _wirklich_ so simpel: Je vielköpfiger, je breiter der Widerstand aufgestellt ist, desto wahrscheinlicher ist ein friedlicher Erfolg.

  • J
    Jens

    Wer kann es den Prenzlbergern verdenken, die aufs Land "fliehen".

    1. Ich wöllte nicht Seite an Seite mit den schwarz gekleideten demonstrieren, die mir die Coctailbars im Kiez neiden und Nachts die Autos im Kiez abfackeln.

    2. Haus und Hof sind wohl weniger gefährdet als die eigene Gesundheit und das Auto vor der Tür. Die Faschisten sind gefährlich und auch unter den Gegendemonstranten gibt es sicher nicht wenige, denen der Molli leicht in der Hand liegt. Die junge Frau, die im letzten Jahr in Kreuzberg angezündet wurde, wird wissen, wovon ich spreche.

     

    Massive und friedliche Aktionen aller Bevölkerungsschichten gegen Rechts, wie es sie regelmäßig in Leipzig oder Dresden gibt, wird man in Berlin leider nie realisieren können. Schönen Dank dafür an die Autonomen dieser Stadt.