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Kommentar zum VolksentscheidDer gescheiterte Kreuzzug

Kommentar von Sebastian Heiser

Das Ergebnis des Volksentscheides zeigt: Die Konservativen haben offenbar keine Themen, mit denen sie die ganze Stadt mobilisieren können. Klaus Wowereit darf sich als der ungekrönte König der Stadt fühlen - muss aber trotzdem aufpassen.

S chon wieder hat das bürgerliche Lager in Berlin verloren. Vor knapp einem Jahr hatten sich CDU, FDP und die BILD-Zeitung mit Unternehmern verbündet, um den Flughafen Tempelhof zu erhalten - und waren an einer zu geringen Wahlbeteiligung gescheitert. Diesmal haben sich CDU, FDP und die BILD-Zeitung mit den christlichen Kirchen verbündet, um den Religionsunterricht zu stärken - und die Wahlbeteiligung lag noch niedriger. Und das ist noch nicht alles: Diesmal gab es nicht einmal unter den Berlinern, die den Weg an die Wahlurnen auf sich nahmen, eine Mehrheit für den Volksentscheid. Was für eine krachende Niederlage.

Das zeigt: Die Konservativen haben offenbar keine Themen, mit denen sie die ganze Stadt erreichen können. Der Flughafen Tempelhof war vielen Berlinern einfach egal. Und diesmal ging es keinesfalls um die Freiheit, wie die Kirchen mit ihrer Gaga-Kampagne behaupteten, sondern lediglich um die Frage, ob Religion ein Wahlfach oder ein Wahlpflichtfach sein soll. Beide Themen sprachen eher das alte West-Berlin an - aber nicht einmal da gingen so viele Berliner an die Abstimmungsurnen wie von den Konservativen erhofft.

Die christlichen Kirchen haben nun den endgültigen Beweis dafür, dass sie in Berlin keine Mehrheit mehr hinter sich haben. Das ist in der überwiegend säkular geprägten Hauptstadt zwar nicht überraschend, war aber bisher beim Klerus offenbar noch nicht so richtig angekommen. In der Vergangenheit mischten die Kirchen sich mit einem übergroßen Selbstbewusstsein in gesellschaftliche Debatten ein - als ob sie den Ton angeben könnten. Das Wahlergebnis wird hoffentlich zu einer realistischeren Selbsteinschätzung führen.

Die klaren Gewinner der Abstimmung sind dagegen Klaus Wowereit und seine Koalition aus SPD und Linkspartei. Der Regierende Bürgermeister darf sich jetzt wie der ungekrönte König der Hauptstadt fühlen. Er weiß nun: Gegen ihn lässt sich keine Mehrheit der Berliner organisieren - das gilt vor allem dann, wenn er so wie bei beiden bisherigen Volksentscheiden auch die Grünen mit im Boot hat.

Ganz anders kann es dagegen ausgehen, wenn das nächste Mal der Volksentscheid von links kommt statt von rechts. Etwa falls es zur Abstimmung über eine bessere Betreuung in den Kitas kommt - dann ist alles wieder offen.

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3 Kommentare

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  • M
    Martin

    Und mit Verlaub : Bitte nicht so darstellen, als sei "die bürgerliche Mitte" einhellig "Pro Reli" gewesen. Da gab es ja auch einen großen Teil, der genug Anstand besaß um gegen die infame Pro-Reli Propaganda und Agenda zu stimmen.

    Einem guten Teil der bürgerlichen Mitte war halt die Unehrlichkeit, Dummdreistigkeit und von jeder Einsicht ungebremste Selbstgerechtigkeit der "Pro Reli" Fraktion dann doch zu viel.

     

    Die Quittung für ihre Art und ihr Verhalten haben sie bekommen, auch aus der Mitte. Nur kapieren tun sie es immer noch nicht.

  • P
    pitroipa

    @@André Meral

     

    Dazu gehölrt aber auch das Wissen, dass es keineswegs, wie von Pro Reli gerne fälschlich behauptet, in anderen Bundesländern ein solches Wahlpflichtfach gibt. In etlichen Budnesländern gibt es dagegen einen Religionsunterricht, der eben nicht (!) von den Kirchen betrieben wird, der auch kein "Bekenntnisunterricht" ist, wie hier immer gefordert.

     

    Leider ist diese Desinformationskampagne von vielen bis heute nicht begriffen worden.

     

    De facto wollte Pro reli abstimmen lassen: "Freiheit für die Kirchen in den Schulen" vs "Kontrolle für den Islamunterricht". Nur haben sie sich nicht getraut das offen zu sagen.

     

    Wenn schon jetzt knapp 50% der Schülerinnen und Schüler in Berlin nichtdeutscher Herkunft sind, dann muss man einen gemeinsamen Unterricht, der anderen Bundesländern auch Sozialkunde oder Gemeinschaftskunde (oder eben auch mal Ethik) heißt, wünschen, keine Segregation.

  • AM
    André Meral

    .. ich würde darum bitten, nicht alle, die am Sonntag mit Ja gestimmt haben - dazu zähle ich auch - als Marionetten der christlichen Kirchen und deren angeblichen Kreuzzuges zu sehen. Man kann auch als nichtreligiöser Mensch für eine Wahl zwischen Ethik und Religion sein. Im Übrigen gehört meines Wissens keines der anderen Bundesländer zu einem wie auch immer gearteten Kirchenstaat...