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Kommentar zu afrikanischen KrisenDemokratisch ins Desaster

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Verteilungskämpfe in Afrika spitzen sich zu. Denn je reicher der Kontinent wird, desto lohnender wird es, die Machtfrage zu stellen. 2011 wird zum Schicksalsjahr.

I n Guinea führt eine historische demokratische Wahl zu ethnisch gefärbten Auseinandersetzungen. In der Elfenbeinküste rüsten vor einer ähnlich wegweisenden Entscheidung an diesem Wochenende nationalistische Scharfmacher für einen Krieg im Falle ihrer Niederlage.

In Uganda und Nigeria stehen 2011 schwierige Wahlkämpfe an, die diese beiden Vielvölkerstaaten zu zerreißen drohen. Und der Süden Sudans schickt sich an, am 9. Januar 2011 mittels einer Volksabstimmung seine Unabhängigkeit zu beschließen. Damit steht die Zerlegung des größten afrikanischen Flächenstaats ins Haus, mit der Gefahr der aus dem Zerfall Jugoslawiens bekannten desaströsen Konsequenzen.

Mal wieder unruhige Zeiten für Afrika - aber selten sind afrikanische Krisen so deutlich im Voraus absehbar, ja sogar terminiert gewesen wie diese. Die Wahltermine, um die es geht, sind Monate vorher bekannt. Die damit verbundenen Probleme sind längst erschöpfend analysiert. Vor allem die Krise, die infolge von Südsudans Sezession droht und bis hin zu einem regionalen Krieg führen könnte, käme keineswegs überraschend.

Bild: taz

Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im taz-Auslandsressort.

Jedem ist letztlich klar, was für Afrika die Gründung eines neuen Staates bedeutet, der nicht in der Nachfolge eines früheren Kolonialterritoriums steht, sondern einfach Ausdruck des Rechts auf Selbstbestimmung der Völker ist. Die Legitimität aller afrikanischer Staatswesen, die sämtlich Nachfolgeorganisationen kolonialer Gebiete sind und keine Emanationen des Volkswillens, steht auf dem Prüfstand wie nie zuvor.

In Sudan selbst, einem der bürgerkriegserfahrensten Länder der Welt, wird die Machtfrage schärfer gestellt als früher. Wenn sich Südsudan abspalten darf, warum nicht Darfur? Wenn die schwarzafrikanischen Südsudanesen einen eigenen Staat bekommen, was wird aus den Südsudanesen im arabischen Norden, vor allem in der Hauptstadt Khartum?

Was geschieht mit Sudans Öl, das fast komplett im Süden gefördert, aber über den Norden exportiert wird? Und kann sich die alte islamisch-militärische Elite in Khartum auf die Existenz in einem Rumpfsudan als Wurmfortsatz Ägyptens einstellen? Oder gibt es nach dem 9. Januar erst einmal gewaltsame Bevölkerungstransfers, neue Grenzziehungen und Kriegsrunden?

Sechs Jahre Zeit hatten die Kontrahenten nach den Sudan-Friedensabkommen von Januar 2005, die das Unabhängigkeitsreferendum auf Januar 2011 festlegten, um auf diese und viele andere Fragen Antworten zu finden. Nun sind nur noch sechs Wochen übrig. Dass bisher so wenig getan wurde, ist vor allem ein Problem der politischen Führung in Sudan selbst, aber es ist auch eines der internationalen Vermittler und Begleiter des Südsudan-Friedensprozesses. Sie alle schlafwandeln in Sudans nächsten Krieg hinein - und nicht nur in diesen.

In Guinea und der Elfenbeinküste kommt es schon jetzt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, weil die bisher nie endgültig geklärte Machtfrage zum ersten Mal demokratisch an der Wahlurne entschieden wird. Die historischen freien Präsidentschaftswahlen werden dort seit Jahren herbeigesehnt, ihr reibungsloser Ablauf wird akribisch vorbereitet, aber um die eventuellen Folgen kümmert sich niemand.

Auswärtige Vermittler oder internationale Eingreiftruppen können die Eskalation offenbar nicht verhindern. In Sudan, wo - einzigartig auf der Welt - zwei getrennte UN-Blauhelmmissionen stehen, dürfte das nach dem Referendum nicht anders sein. Aber dennoch scheint die internationale Gemeinschaft davon auszugehen, dass die bestehenden Instrumente ausreichen.

Dass innere Konflikte in afrikanischen Staaten immer öfter im Umfeld von Wahlen und Volksabstimmungen aufbrechen, ist ein Warnsignal. Es zeigt, dass der Kontakt zwischen Staat und Volk gefährliche und unvorhersehbare Folgen haben kann. Afrikanische Staaten lassen historisch ihr Volk außen vor. Die ungebildete Masse der Bevölkerung ist Zuschauer, nicht Gestalter politischer Entscheidungen, die ausschließlich innerhalb einer kleinen, inzestuösen Schicht der Reichen und Gebildeten getroffen werden. Eine wahre Demokratisierung aber mobilisiert das Volk ganz anders. Aufgehetzt und verarmt, macht das Volk eben besonders heftig mobil.

Es geht heute schließlich um viel mehr in Afrika als noch vor wenigen Jahren. Der vermeintliche Elendskontinent boomt, mit hohen Wachstumsraten, zunehmendem Investoreninteresse vor allem aus Asien und einer immer selbstbewussteren politischen und unternehmerischen Klasse. Es lohnt sich wieder, afrikanische Länder zu regieren. Kein Wunder, dass die Machtkämpfe härter werden - und die Verteilungskämpfe ebenfalls.

Bei der Frage der gütlichen Spaltung Sudans spielen die Verfügungsgewalt über das Erdöl und die Einnahmen aus seinem Export die zentrale Rolle. In der Elfenbeinküste bietet das Regieren den Zugriff auf fette Einnahmen aus dem weltgrößten Kakaoexport. In Guinea schlummern Milliardenschätze in Form von Eisen- und Aluminiumerzen im Erdboden. Nigeria als Afrikas größter Ölförderer ist ohnehin das lukrativste Staatswesen des Kontinents, und Uganda schickt sich an, ebenfalls in die Riege der afrikanischen Ölförderer aufzusteigen. Was in all diesen Ländern als ethnischer Konflikt daherkommt, ist in Wahrheit meist ein politischer Verteilungskampf.

Solange Afrika für die Industrienationen hauptsächlich Rohstofflieferant bleibt, dürfen sie sich nicht wundern, wenn die steigende Nachfrage nach afrikanischen Rohstoffen auch die Machtkämpfe in Afrika verschärft. Es wäre für Rohstoffkäufer wie Deutschland daher nicht nur legitim, sondern sogar ein zwingendes Gebot der politischen Verantwortung, parallel zur steigenden eigenen Nachfrage nach Afrikas Exporten auch etwas zur Befriedung der Rohstoffländer zu tun.

Es geht darum, wieder den politischen Dialog mit Afrika zu suchen und die Zusammenhänge zwischen Exportorientierung und innerer Verfasstheit afrikanischer Staaten besser zu begreifen. In diesem Sinne ist 2011, angefangen mit dem 9. Januar und dem südsudanesischen Unabhängigkeitsreferendum, ein afrikanisches Schicksalsjahr.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

2 Kommentare

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  • DW
    Doll Werner

    Anschluss an Kommentar Koria!

    Sorry,da vertrete ich leider nicht ganz Ihrer Ansichten. Richtig ist, dass die breite Masse der Europäer sich schon lange für Africa einsetzt und sich auch für mehr politische Freiheit und Unab-

    hängigkeit der jeweiligen Länder intressieren und auch immer mehr auf dem privaten Sektor sich angagieren um politische abhängmacherei,afrikanisch wie europäisch so zu umgehen und vor allem mit einfühlendem Verstand ohne die jeweiligen bestehenden Traditionen und intigrierten Gefühle der dort lebenden Menschen zu zerstören, das wäre die Lössung für die Zukunft von Afrika und mit Zero Bürokratie dann bilden sich auch noch Freundschaften. Doch sagen Sie das mal unseren suppppperschlauen Machthabern da würde ja auch die korupte und kapitale Platform aus Ihren Händen gleiten. Sehen Sie doch mal unseren Bundesentwicklungsminister an,der glaubt ja noch, dass Elefanten fliegen können und alle Kühe Seekühe sind.Ansonsten hat Herr Johnson fast in allen Punkten recht, doch glaube ich persönlich immer noch an ein gutes Ende mit der kolonialen dekadenten Denkweise und Politik in dem Moment, wo sie alle merken, dass gleiche demokratische Rechte und menschlicher RESPEKT auch für Afrikaner und den Rest der Welt gelten. JA ICH BIN EIN ENORMER WUTBÜRGER WENN ES UM UNGERECHTIGKEIT GEHT W.D.

  • AK
    Adelheid Koria

    Hi Mr. Johnson, mein Mann ist aus der Elfenbeinkueste und er ist politisch sehr interessiert. Daher habe ich auch Einblick hinter die Kulissen.Ich danke fuer Ihren Kommentar und stimme voll zu. Es ist ein von der westlichen Welt inszenierter Buergerkrieg. Leider tut auch mein Heimatland nichts gegen die von Frankreich angestifteten Hetzkampagnen - und natuerlich die Regierenden West Afrikas schauen vor allem auf Prestige und Einnahmen. Das trifft insbesondere auf Mr. Qattara aus dem Norden der Elfenbeinkueste zu. Sowohl Frankreich als auch die USA sind auf guenstige Produkte aus und da kommt ihnen Qattara von der Weltbank wohlbekannt gerade recht.

    So einfach.

    Mit freundlichem Gruss

    Adelheid Koria