Kommentar zu Wolfsburgs NS-Geschichte: Wolfsburgs offene Flanke

So lange Wolfsburg seine NS-Vergangenheit nicht offensiv thematisiert überlässt man den neuen Nazis die Deutungshoheit über die "guten Seiten" der alten Nazis.

Egal ob die Nazi-Clique um Anwalt Jürgen Rieger ernsthaft plant, in Wolfsburg ein Kraft-durch-Freude-Museum zu eröffnen, oder mit dieser Provokation nur mediale Aufmerksamkeit sucht: Sie weist damit auf eine Leerstelle hin. Denn Wolfsburg drückt sich um einen offensiven Umgang mit seiner unappetitlichen Gründungsgeschichte.

Nicht, dass die Wolfsburger vergessen hätten, dass ihre Stadt einst "Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben" hieß. Volkswagen finanziert seit vielen Jahren kritische Forschung über die Firmengeschichte und publiziert die Ergebnisse auch. Das Stadtgeschichtliche Museum betreibt eine eigene Abteilung für die Erinnerung an die Leiden von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in der VW-Produktion, wenn auch im Obergeschoss des Museums versteckt.

Aber die eigentliche Funktion der Stadt als Gute-Laune-Produktionsstätte des Nationalsozialismus und Versprechen auf den Nachkriegswohlstand der Deutschen spielt im Stadtbild keine Rolle. Warum nicht ein städtisches KdF-Museum einrichten, das die Wohlfühlfabrik der Nazis aus historisch-kritischer Perspektive darstellt - und ruhig das Elend der Arbeitssklaven dagegen stellt?

So lange das in Wolfsburg fehlt, besteht immer wieder die Gefahr, dass man den neuen Nazis die Deutungshoheit über die "guten Seiten" der alten Nazis überlässt.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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