Kommentar zu Schwarzfahren & Strafe: Raus aus dem Schubladen-Knast
Rot-Rot-Grün ist sich einig, Schwarzfahren nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Warum kommt die fertige Bundesratsinitiative dann nicht?
Manchmal kann man nur den Kopf schütteln über den fehlenden Mut mancher Politiker. Da hat Innensenator Andreas Geisel (SPD) – wie er selbst sagt – eine Bundesratsinitiative zur Entkriminalisierung des Schwarzfahrens „in der Schublade“. Nur: Dort soll sie auch erst mal bleiben, weil seine Partei davon noch nicht überzeugt sei. Das ist aus vielerlei Gründen absurd.
Es geht ja nicht darum, Kunden ohne Ticket von BVG und S-Bahn künftig ohne Strafe davonkommen zu lassen. Vielmehr soll laut Geisel die Tat zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden, die dann mit Bußgeldern geahndet wird. Staatsanwaltschaft, Gerichte und sogar die Gefängnisse würden entlastet – Letztere, weil viele wegen Schwarzfahrens Verurteilte statt ihre Strafe zu bezahlen eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten, die den Staat teuer zu stehen kommt.
Innensenator Geisel hat die bemitleidenswerte Schubladenexistenz seiner Bundesratsinitiative am Samstag auf der Fraktionsklausur der Linken verkündet, nachdem deren rechtspolitischer Sprecher ebenfalls von einer solchen Bundesratsinitiative in seiner Schublade gesprochen hatte. Der auf der Klausur anwesende grüne Justizsenator Dirk Behrendt unterstützt die Entkriminalisierung ebenso. Viel mehr Pro-Stimmen in der rot-rot-grünen Koalition braucht es eigentlich nicht.
Dazu gibt es noch weitere Unterstützer jenseits des rot-rot-grünen Spektrums: der nordrhein-westfälische CDU-Justizminister ist dafür, der Deutsche Richterbund hat Zustimmung signalisiert.
Sogar einen Anlass für die Diskussion gibt es in Berlin. Nach einigen Unregelmäßigkeiten im freien Vollzug rund um Weihnachten wurde erneut deutlich, wie viele Menschen wegen wiederholten Schwarzfahrens im Knast sitzen: Es war der Haftgrund für zwei Drittel aller Insassen in der JVA Plötzensee Anfang Januar.
Jetzt ist also ein guter Zeitpunkt, um in der Debatte mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative noch einmal Akzente zu setzen und vielleicht sogar eine weitreichende Veränderung direkt zu bewirken. Genau dafür wurde Rot-Rot-Grün in Berlin gewählt. Nur Mut!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!