Kommentar zu Postfuhramt etc.: Leichtfertig verspielte Trümpfe
Als Eigentümer von Grund und Boden hätte der Staat Gestaltungsmacht. Doch diese Trumpfkarte hat er im Privatisierungsplan verspielt. Jetzt steht er als Bettler vor den Türen der neuen Eigetümer.
Das Postfuhramt, das Haupttelegrafenamt, das Tacheles. Die drei Gebäude an der Oranienburger Straße geraten gerade zum Mahnmal. Kreative Zwischennutzer machten sie zu Heimstätten des lebendigen Berlin. Durch profitorientierte Eigentümer stehen sie vor dem Aus. Kern des Problems ist mal wieder die Eigentumsfrage.
Wer in Deutschland Grund und Boden besitzt, entscheidet über dessen Nutzung. Durchgreifende Gestaltungsmacht hat auch der Staat folglich nur als Eigentümer. Genau diese Trumpfkarte aber hat die Politik in den letzten 20 Jahren aus ideologischen Gründen verspielt. Tacheles, Postfuhramt und Telegrafenamt etwa wurden zwischen 1995 und 2005 vom Bund oder den Staatsfirmen Post und Telekom verscherbelt. Privatisierung ging über alles. Jetzt steht der Staat als Bettler vor den Türen der neuen Eigentümer.
Nun ist es nicht so, dass der Staat immer die besten Ideen hätte für seine Immobilien. Im Gegenteil. Aber es gäbe ein Modell, das die Kreativität der Nutzer zu- und dem Staat zugleich das letzte Wort überlässt: Erbpacht! Staatliches Eigentum wird Privaten überlassen. Zeitlich begrenzt. Und mit inhaltlichen Vorgaben. Der Politik bliebe die letzte Gestaltungsmacht. Dumm nur, dass nicht sie auf die Idee kommt, Erbpacht als Strategie zu verstehen. Stattdessen müssen Nutzer - wie jetzt die Betreiber der C/O-Galerie - das Modell in die Debatte bringen. Für die Areale rund um die Oranienburger Straße ist es so oder so zu spät. Deren Eigentümer interessiert nur kurzfristiger Profit. Wer das ändern will, muss nicht sie kritisieren, sondern das System, das ihnen Tür und Tor öffnet.
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