Kommentar zu Personalfragen: Eine Debatte, die allen schadet
Zum ersten Mal könnte eine Politikerin mit Einwanderungsgeschichte Senatorin werden. Doch im Fokus steht nicht sie, sondern ihre Ehe.
D a wird nun zum ersten Mal in Berlin eine Politikerin mit Einwanderungsgeschichte für den wichtigen Posten einer Senatorin ins Gespräch gebracht. Doch statt das zu feiern oder zu kritisieren oder über die Kompetenz der Kandidatin Dilek Kolat (SPD) zu debattieren, steht ihre Beziehung zu Kenan Kolat im Rampenlicht, der ihr Ehemann, Parteigenosse und Geschäftsführer des Türkischen Bundes Berlin (TBB) ist.
Dabei ist die Gefahr, dass der TBB von einer Ernennung der Ehefrau seines (ehrenamtlichen) Geschäftsführers zur Integrationssenatorin profitieren könnte, ehrlich betrachtet gleich null. Bereits jetzt ist der TBB ein großer und erfahrener Träger öffentlich geförderter Projekte in Berlin. Vorteilsnahme aufgrund privater Verstrickungen ist vor diesem Hintergrund kaum zu befürchten - und würde den TBB ruinieren. Zumal es sich bei Frau Kolat um eine erfahrene Finanzpolitikerin handelt, die mit Sicherheit sauber rechnen kann.
Das Risiko war bekannt
Auch wenn mit dem angekündigten Rückzug Kenan Kolats aus seinen Tätigkeiten beim TBB dieser Punkt nun geklärt ist, bleibt eine Frage offen: Warum ist die SPD das erwartbare Risiko dieser Debatte überhaupt eingegangen? Es verwundert ja schon, dass integrationspolitische Kompetenz in dieser Stadt offenbar so eng mit dem Namen Kolat verbunden sein soll. Mit dem integrationspolitischen Fraktionssprecher Raed Saleh und der sozialpolitischen Sprecherin Ülker Radziwill verfügt die SPD ja über weitere, in diesem Themenfeld kompetente MigrantInnen.
Die SPD hätte Alternativen gehabt - und eine ärgerliche Debatte vermeiden können, aus der sowohl Dilek Kolat wie auch der TBB beschädigt hervorgehen.
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