Kommentar zu Innensenator Henkel: Aufsteiger auf der Kippe
Innensenator und CDU-Chef Frank Henkel hat bei der Aufklärung der Pannen um den Berliner NSU-V-Mann bisher wenig Engagement gezeigt.
M it Rücktrittsforderungen hat Frank Henkel so seine Erfahrungen. Bereits zwei seiner Kollegen auf CDU-Ticket musste er im ersten Jahr als Innensenator und CDU-Ranghöchster auswechseln. Es gelang ihm vergleichsweise souverän. Mit der jüngsten Forderung hat er mehr Probleme: Sie zielt auf ihn selbst. Und sie ist nicht unberechtigt.
Natürlich hat Eva Högl, SPD-Obfrau im NSU-Ausschuss des Bundestages, parteipolitische Interessen, wenn sie Henkel ein Ultimatum stellt: Högl vertritt als Abgeordnete Berlin-Mitte, auch Henkel hat dort seine politische Heimat. Aber der Innensenator hat bei der Aufklärung der Panne um den NSU-Unterstützer Thomas S., der zehn Jahre und bis vor Kurzem fast völlig unentdeckt für das Berliner Landeskriminalamt gearbeitet hat, bisher wenig Engagement gezeigt. Vergangene Woche hat er das Abgeordnetenhaus sogar belogen, als er in der Aktuellen Fragestunde erklärte, von dem Fall bis dato nichts gewusst zu haben.
Der Strahlemann
Henkel hat es in seinem ersten Senatorenjahr geschafft, Klaus Wowereit zu deklassieren und zum beliebtesten Politiker der Stadt zu werden – ohne inhaltlich viel zu liefern. Bei der heutigen Sondersitzung des Innenausschusses kann er sich das nicht mehr leisten: Die Abgeordneten und die Öffentlichkeit werden die Worte des Senators sehr genau prüfen. Und Henkel weiß: Ein schwacher Auftritt gefährdet die rot-schwarze Koalition. Denn er wäre nicht so leicht zu ersetzen wie die Wirtschaftssenatorin und der Justizsenator.
Vor einem Jahr, am 18. September 2011, begann mit der Abgeordnetenhauswahl der überraschende Siegeszug des Frank Henkel. Gut möglich, dass der 18. September 2012 den Niedergang des CDU-Chefs einläutet.
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