Kommentar von Sven-Michael Veit über den Tunnel im Fehmarnbelt: Profite privatisieren, Verluste sozialisieren
Der Tunnel im Fehmarnbelt wird nicht gebaut werden. Einen Bedarf dafür gab es nie, das ist nun gutachterlich nachgewiesen. Und das Geld für den Bau fehlt ohnehin. Dennoch werden die Verfechter des größten, teuersten und unsinnigsten Verkehrsprojekts der EU sich noch einige Zeit in Rückzugsgefechten verlieren.
Der Ostseetunnel soll sich, so die Rechnung, in 36 Jahren aus Mauteinnahmen amortisieren – sofern die EU etwa 1,5 Milliarden zuschießt. Das aber ist alles andere als sicher. Die Refinanzierung des auf 7,4 Milliarden Euro geschätzten Tunnels dürfte sich dann auf etwa ein halbes Jahrhundert verlängern – ein Zeitraum, der von niemandem seriös zu kalkulieren ist.
Hinzu kommt der Bruch eines Wahlversprechens. Die Mautpflicht für die Querung des Großen Belt sollte demnächst aufgehoben werden, wenn der Bau abbezahlt ist. Das will die dänische Regierung jetzt aber einkassieren, weil eine kostenlose Alternativtrasse den mautpflichtigen Fehmarnbelt-Tunnel noch unwirtschaftlicher machen würde. Vor allem die Pendler am großen Belt aber sehen nicht ein, dass sie indirekt ein Projekt subventionieren sollen, von dem sie nichts haben. Da droht mächtig Ungemach im Staate Dänemark.
Zu recht. Denn am Fehmarnbelt wollen skandinavische Baukonzerne, Banken und ihre Politiker in unheiliger Allianz ein Milliardengrab schaufeln. Getreu der Erkenntnis, dass mit dem Betrieb von Infrastruktur kein Geld zu verdienen ist, mit ihrem Bau aber sehr wohl. Und wenn das Ding erst mal in der Gegend rumsteht, darf sich der Steuerzahler drum kümmern: Profite privatisieren, Verluste sozialisieren.
Auch auf deutscher Seite haben Bund, Bahn und Land munter Millionen verschwendet und verpulvern sie fröhlich weiterhin. Locker vervierfacht haben sich die Kosten für die deutschen Anschlüsse, räumt jetzt kleinlaut die Bundesregierung ein. Aus 850 Millionen werden mal eben mehr als drei Milliarden – wer so plant und kalkuliert, gehört zu Recht abgewählt.
Aber ohne Geld passiert gar nichts. Das ist die gute Nachricht: Das Unding in der Ostsee ist tot.
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