Kommentar von Manuela Heim zu Gewerbemieten und Datenmaterial: Das ist nicht die beste statistische Quelle
Manuela Heimist Redakteurin für Soziales.
Plötzlich scheint die Bundesratsinitiative Berlins zur Regulierung steigender Gewerbemieten auf sehr wackeligen Füßen zu stehen. Der RBB hat herausgefunden, dass die darin als Beleg angeführten Preissteigerungen für Berliner Gewerbemieten um bis zu 266 Prozent in zehn Jahren keine solide Grundlage haben. Und zieht daraus den Schluss, dass das Problem doch eigentlich gar keins sei. Doch diese Logik versagt.
In der Tat sind auch die – nur vergleichsweise geringen – 85 Prozent durchschnittliche Mietpreissteigerung, die der RBB nun auf Grundlage einer Auswertung von Immobilienscout24 präsentiert, keine verlässlichere Diskussionsgrundlage. Mal abgesehen davon, dass ein von privatwirtschaftlichen Interessen gelenktes und erst in jüngster Zeit mit umstrittenen Erhebungen zum Mietendeckel aufgefallenes Unternehmen nicht die beste statistische Quelle ist: Eine Steigerung der Angebotsmieten im Einzelhandel in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 11,50 Euro auf 21,30 Euro pro Quadratmeter mag für Einzelhandelsunternehmen mit – laut Handelsverband – wachsenden Einnahmen kein Problem sein.
Was ist mit Clubs, Kinos, Kinderläden?
Tatsächlich von Verdrängung betroffen sind laut wiederkehrenden Berichten aber kleine Läden, Clubs, Kinos oder lokale Handwerker. Vor allem aber auch von staatlichen Zuschüssen abhängige Kinderläden, therapeutische Wohneinrichtungen oder Jugend-WGs, die nur mit Gewerbemietverträgen Wohnraum anmieten können. Und für diese ist auch eine Mietpreissteigerung um „nur“ 85 Prozent absolut existenzbedrohend.
Der einzige Schluss, der sich aus der Debatte über unzuverlässige Zahlen ziehen lässt, ist dieser: Wir brauchen eine unabhängige, nach Lage, Größe und Gewerbeart differenzierte Erhebung von Gewerbemieten. Und die hat die zuständige Senatsverwaltung für Wirtschaft bereits in Planung.
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