Kommentar von Klaus Wolschner über den Streit um die Inklusion: Maulkorb statt offener Diskussion
Journalisten, Verbandsvertreter und Politiker, im Anschluss dutzende von Leserbrief-SchreiberInnen, streiten über die Inklusion behinderter Kinder am Gymnasium Horn – das Thema ist offenbar brisant und interessiert. Es berührt Grundfragen der Gleichberechtigung und der menschlichen Würde.
Aber worum geht es genau an diesem Gymnasium? Die Schulleiterin darf das nicht öffentlich erklären, und die Schulsenatorin erklärt nicht, was sie dagegen hat. Die öffentliche Debatte findet daher im Nebel statt. Alle sagen das, was sie immer gesagt haben. Eine Pseudodebatte. Der Maulkorb, den die Bildungssenatorin der Schule und auch sich selbst verpasst hat, straft nicht nur alles Gerede über eine transparente Politik Lügen, er behindert oder verhindert gesellschaftliche Diskussionen, die die Grundlage für Demokratie sind.
Wen sollen die unmündig gehaltenen Bremer Bürger 2019 wählen, wenn ihnen alle Informationen über das Verhalten der Schulsenatorin in diesem Fall vorenthalten werden? In vordemokratischen Zeiten nannte man das „Arkanpolitik“ und war stolz darauf, weil die Überzeugung herrschte, das Volk sei zu dumm, um zu begreifen, was die weisen Herrscher umtreibt.
Die Begründung für den Maulkorb ist das Argument, man wolle nicht in ein schwebendes Verfahren eingreifen. Ein unglaublich dämliches Argument. Das Verwaltungsgericht behandelt die Frage nach trockenen juristischen Kriterien, da geht es um die Auslegung einer Formel im Schulverwaltungsgesetz. Die pädagogische Debatte ist eine ganz andere.
Das Argument des schwebenden Verfahrens ist ein autokratisches Herrschaftsmittel, mit dem in diesem Falle die Schulbehörde die Möglichkeit der betroffenen Schule unterdrückt, ihre pädagogische Sicht öffentlich zu artikulieren. Um das, was man landläufig unter Inklusion versteht – alle Kinder in einer Klasse –, geht es überhaupt nicht. Der Schule geht es um das „Wie“ der Kooperation mit Einrichtungen, die geistig Behinderte fachkundig betreuen, nicht um das Ob. Aber das darf sie nicht erklären.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen