Kommentar von Friederike Gräff über elitäres Theater: Vielfalt endet im Zuschauerraum
Das Staatstheater Hannover weitet seine Flatrate aus – künftig können auch Studierende von vier weiteren Hochschulen kostenlos ins Theater. Das ist erst einmal eine Marketingmaßnahme, weil es um genau die Generation geht, die im Theater fehlt. Ob es am Geld liegt? Acht Euro zahlen Studierende und Azubis für eine Theaterkarte, das muss man nicht teuer finden, eine Kinokarte kostet genauso viel. Trotzdem: Ausprobieren kann, muss ein Theater, wie es eine Generation zu sich lotst, für die ein Theaterbesuch sehr weit hinten unter den möglichen Freizeitbeschäftigungen rangiert. Aber es steht ihm extrem schlecht zu Gesicht, sich nur um den akademischen Nachwuchs zu bemühen. Eine Theaterflatrate für Azubis? Fehlanzeige.
Das Theater ist kein privates Unternehmen, das nun mal eben eine neue Werbestrategie testet. Es ist ein hochsubventioniertes öffentliches Kulturinstitut, das sich seit jeher Aufklärung auf die Fahnen geschrieben hat. Man kann auch sagen, dass es seit jeher eine bildungsbürgerliche Angelegenheit ist, aber es kann nicht sein, dass der Anspruch der TheaterintendantInnen nur der ist, den Altersschnitt des Publikums zu diversifizieren. Die Intendantin des Schauspiels Hannover hat sich im Programmheft der neuen Spielzeit angenehm weit aus dem Fenster gelehnt: „Idealerweise treten im Theater, sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerraum, die unterschiedlichsten Menschen miteinander in Kontakt, lassen sich irritieren, sich über die eigene Normalität und das Selbstgewisse forttragen“, heißt es da. Mag sein, dass man sich auf der Bühne bemüht, die ein oder andere Minderheit hereinzuholen, im Zuschauerraum sind die Anstrengungen für Diversität überschaubar.
Natürlich ist es organisatorisch dankbar, die Theaterflatrate für Studierende über einen Euro Zuschlag auf die Semestergebühr zu finanzieren. Eine vergleichbare Struktur gibt es bei Azubis nicht. Und doch: Das Theater Oberhausen etwa bietet für jährlich 25 Euro eine Flatrate für alle unter 30. Am Bremer Theater gibt es ein Theaterfestival für Azubis. Das Theater, so hört man, soll ein Ort der Kreativität sein. Wäre schön, wenn man mit etwas Kreativität die eigenen sozialen Scheuklappen zur Seite rückte.
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