Kommentar von Bert Schulz zu einem 9-Euro-Ticket im Berliner Stadtgebiet: Die Grünen sollten der Idee folgen
Bert Schulz
ist Co-Leiter der Berlin-Redaktion
Wenn die Berliner SPD mit Vorschlägen kommt, wie man dem grünen Finanzsenator Daniel Wesener ein bisschen Geld aus seiner ganz gut gefüllten Schatulle luchsen kann, sollte man vorsichtig sein: Natürlich haben die Sozialdemokraten in solchen Fällen ein nicht zu geringes Eigeninteresse. Das gilt auch für den Vorschlag der Partei, das 9-Euro-Ticket nur in Berlin, also im Tarifbereich A/B, ab Oktober bis zum Jahresende zu verlängern.
Die SPD weiß natürlich, dass die Grünen als vollmundige Unterstützer des ÖPNV dieser Idee trotz der hohen Kosten wenig entgegensetzen können – zumal das Ticket zumindest in größeren Städten sehr populär ist. Doch nicht nur vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass sich auch die Grünen dazu durchgerungen haben, den SPD-Vorstoß grundsätzlich zu unterstützen.
Denn die Debatte über die Zukunft des All-inclusive-Tickets ist noch lange nicht gelaufen. Im Gegenteil: Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) setzt auf Verzögerungstaktik, und auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zeigte sich am Wochenende nicht offen für ein gemeinsames Nachfolgeticket mit Berlin.
Letztlich ist eine nur in Berlin geltende Fahrkarte dieser Art aber nichts anderes als ein starkes politisches Signal in Richtung Bund, schnell eine eigene Anschlusslösung vorzulegen oder sich einer der vielen vorliegenden Ideen anzuschließen. Das will die Berliner Koalition nun offenbar abwarten – aber notfalls wäre es angebracht, eine eigene Lösung ohne Entscheidung des Bundes voranzutreiben.
In großen Städten, erst recht in Berlin, braucht man kein Auto: Das ist die Botschaft des 9-Euro-Tickets, und es ist schön, dass auch die SPD das verstanden hat. Denn nur mit dieser Argumentation kann man perspektivisch die parkenden Blechkolonnen an und auf den Straßen reduzieren. Die Grünen sollten sich ihr nicht verschließen, auch wenn die Verkehrssenatorin eine gemeinsame Lösung mit Brandenburg präferiert.
Das Ticket ist besser als vieles andere, weil es simpel ist. Zu Beginn lehnten es auch viele progressive Verkehrsexpert*innen ab und forderten, die 2,5 Milliarden Euro lieber für den ÖPNV-Ausbau zu verwenden. Inzwischen ist die Unterstützung in diesen Kreisen gestiegen. Macht den Nahverkehr preiswert, der Rest wird folgen.
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