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Kommentar über Hausmeister-WohnungenRelikte einer anderen Zeit

Kommentar von Henning Bleyl

Hausmeister-Wohnungen sind die letzte Refugien des sozialdemokratischen Staats-Sozialismus. Umso argwöhnischer wird ihr Leerstand beäugt

H ausmeisterwohnungen sind in Bremen keine beliebigen Liegenschaften. Sie sind Überbleibsel eines sozialdemokratischen Staatssozialismus, der Hausmeisterstellen wie kleine Pfründe nach Parteibuch vergab und mit Reparaturservice und Wohnbeihilfen anreicherte. Diese Zeiten sind zwar vorbei. Aber sie erklären, warum aufmerksame Anwohner besonders allergisch reagieren, wenn sie Leerstände in eben diesen Ex-Oasen des öffentlichen Dienstes beobachten.

Fragt man konkret nach den Gründen der Vakanzen, ergibt sich das übliche Bild: Der Teufel steckt im Detail. Es gilt, eine festgelegte Reihenfolge zu involvierender Ämter zu beachten. Das alles dauert seine Zeit. Zeit, die manchmal ärgerlich ist. Zeit, die die Gebäude nicht besser macht.

Die Stadt beschäftigt derzeit exakt 153 Hausmeister an ihren Schulen, Handwerker, Springer und Hilfshausmeister eingerechnet. Fast die Hälfte von ihnen wohnt irgendwo, aber nicht an einer der Schulen, für die sie zuständig sind. Hintergrund sind nicht nur gewandelte Vorstellungen von Verfügbarkeit im Job. Sondern auch ein konkretes Urteil: Der Europäische Gerichtshof begrenzte die maximale Wochenarbeitszeit inklusive Bereitschaft auf 48 Stunden. Der traditionelle Schlussrundgang des Hausmeisters aus der Dienstwohnung durch die Schule, um 22 Uhr, passt da nicht mehr rein. Schade nur, dass auf den Auszug der Hausmeister nicht öfter ein Einzug anderer folgt.

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Freier Journalist
2001 bis 2016 Kulturredakteur der taz mit Sitz in Bremen
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