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Kommentar über Drogenrazzien in BremenVerfehlter Ressourceneinsatz

Jean-Philipp Baeck
Kommentar von Jean-Philipp Baeck

Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde sollten andere Prioritäten als die Bekämpfung von Drogendealern.

Tatort Bremen-Steintor: Unter anderem in diesem Viertel bekämpft die Polizei die offene Drogenszene. Foto: Michael Bahlo

L eistet die Polizei Bremen mit ihren aktuellen Drogenrazzien gründliche Arbeit? Kriminaltechnisch, strategisch – vermutlich schon. Macht die Polizei ihren Job? Absolut. Ist das sinnvoll? Nein.

Über acht Monate hat die Polizei in Bremen einen Schwerpunkt-Einsatz gegen Drogenkriminalität gefahren. Allein bei den beiden Razzien im Oktober kamen 270 PolizistInnen zum Einsatz. Die Ermittler haben, da wird man ihnen wohl nicht widersprechen, den Fokus auf die „Hintermänner“ des Drogengeschäfts gerichtet. Mehr auf die „großen Haie“ als auf die „kleinen Fische“, wie wir es im Titelsong zur TV-Serie „Großstadtrevier“ lernen.

Dabei sind illegale Drogen für die Polizei jedoch so etwas wie Alfred Hitchcocks Kunstgriff des „McGuffin“ für den Filmplot: Es kommt nicht mehr auf das eigentliche Objekt an, sondern es geht nur noch darum, dass sich die Geschichte darum weiterdreht. Was das für die Drogenbekämpfung heißt? Die Substanzen sind illegal, damit Geschäfte zu machen, fällt in den Bereich organisierter Kriminalität, die Polizei beißt an und kann einen enormen Apparat an Überwachung, Kriminaltechnik und Personal bemühen. Am Ende stehen manchmal polizeiliche Erfolgsmeldungen wie die in Bremen.

Doch derartige Drogenbekämpfung ist nicht mehr zeitgemäß. Selbst die Polizei erklärt, dass es immer Konsumenten geben wird. Die gesellschaftliche Diskussion ist ohnehin weiter, sie denkt – langsam – in Richtung Legalisierung. Zu recht: Anders als behauptet, entsteht auch bei „harten“ Drogen der größte Schaden erst durch die Prohibitionspolitik – vom unsauberen Stoff, unsauberen Spritzen, zerstörten Leben durch die soziale Tabuisierung, Einknastung bis hin zu den Toten der Drogenkriege. Alles, weil ein Vorgang, der Drogenkonsum, geächtet ist, bei dem die Akteure niemandem sonst schaden als sich selbst – wenn überhaupt. Aber dass Leute sich auf Skiern einen Berg herunterstürzen ist auch nicht verboten.

Zumindest beim Cannabis hat das auch die Bremer Politik verstanden. Die rot-grüne Koalition will dessen Konsum über einen Modellversuch legalisieren. Dass die Bremer Polizei bis dahin Ressourcen verschwendet, um unter anderem Cannabisdealern auf die Schliche zu kommen, ist absurd.

Klar: Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde können wohl nicht ignorieren, dass Drogen illegal sind. Aber: Sie könnten andere Prioritäten setzen. Wir sind uns zum Beispiel alle einig, nicht von Selbstmordattentätern attackiert werden zu wollen. Hier gäbe es viel zu tun – und hierfür könnte man vielleicht sogar verkraften, dass Beamte Überstunden anhäufen.

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Jean-Philipp Baeck
Investigativreporter
stv. Ressortleiter Reportage & Recherche. /// Zuvor: Produktentwickler der taz im Netz, Chef vom Dienst der taz nord in Hamburg, Redakteur und Volontär der taz in Bremen. /// Seit 2011 Journalist bei der taz, mehrere Jahre zudem auch beim Norddeutschen Rundfunk NDR. /// Soziologe und Kulturwissenschaftler, Studium in Bremen und Melbourne. /// Herausgeber von "Rechte Egoshooter - Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat", Ch. Links Verlag 2020, mit Andreas Speit /// Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit 2024 /// Threema-ID: UWSDA226 /// PGP Fingerprint: 3045 4A0E 6B81 226A A64E 0790 36BF 9C3A 6EC6 5D1F
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