Kommentar spanische Regierung: Demokratie? Wozu denn!
Die Sparmaßnahmen der konservativen Regierung lassen die Spanier zusammenrücken – im Protest. Doch der Glaube an Demokratie geht verloren.
W enn Spaniens konservativer Regierungspräsident Mariano Rajoy in seinem ersten Amtsjahr etwas erreicht hat, dann dass die Spanier zusammenrücken – und zwar auf der Straße. Die Demonstrationen alleine in Madrid gehen in die Tausende seit Jahresbeginn. Rajoy hat alle gegen sich aufgebracht: von denen, die ihren Job verloren haben oder die aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt wurden, bis zu Schülern, Studierenden, Eltern, Lehrern, Richtern, Ärzten, Ministerialbeamten und zuletzt auch noch die Rentner.
Rajoy gewann im November 2011 die Wahlen mit absoluter Mehrheit. Er wisse, wie es gehe, sagte er, und die Finanzmärkte würden das anerkennen. Die Krise sei in den Griff zu bekommen, ohne bei den wesentlichen Dingen die Schere anzusetzen. Er werde weder die Mehrwertsteuer erhöhen noch im Bildungs- und Gesundheitswesen kürzen, und die Rentenanpassung an die Inflation sei sicher. All dies konnte und wollte Rajoys Regierung nicht erfüllen. Wenn überhaupt, werden nur die Banken und die Reichen verschont.
In allen Bereichen der Verwaltung werden Proteste organisiert. Die „grüne Flut“ der Lehrer und die „weiße Flut“ des Krankenhauspersonals sind dabei die größten Bewegungen. „Wahlbetrug“ werfen die Demonstranten Rajoy vor. Sie organisieren sich rund um die Gewerkschaften oder gründen selbst ihre eigenen horizontalen Komitees, die sich in Basisversammlungen und per Internet abstimmen.
ist Spanien-Korrespondent der taz.
Das ist der positive Aspekt. Doch gleichzeitig geht der Glaube in die Demokratie als solche verloren. Auch die sozialistische Opposition überzeugt ja nicht. Schließlich hat diese vor den Wahlen 2011 mit dem begonnen, was als „alternativlose Politik zur Bewältigung der Krise“ verkauft wird.
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