Kommentar radioaktiver Stahl: Beredte Stille
Nachdem entdeckt wurde, dass seit August 150 Tonnen radioaktiver Stahl nach Deutschland importiert wurden, halten sich die beteiligten Behörden bedeckt. Aber der Sachverhalt muss in der Öffentlichkeit diskutiert werden.
Stephan Kosch ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.
150 Tonnen radioaktiv belasteter Stahl sind seit August nach Deutschland gekommen - und erst jetzt wird darüber gesprochen. Oder genauer: Vertreter von Bund und Ländern und der Stahlindustrie reden miteinander. Was der genaue Inhalt ihrer Gespräche ist, darüber geben sie keine Auskunft.
Auch wer nachfragt, bekommt nur den Hinweis auf dürftige Pressemitteilungen. In diesen erklärt das Bundesumweltministerium, dass eine Gesundheitsgefährdung "nach Angaben der zuständigen Landesbehörden" nicht bestehe und dass außerdem Konsumgüter "bislang" nicht betroffen seien.
Völlig klar, hier will sich das Ministerium absichern. Doch wogegen? Gegen den Fall, dass doch noch irgendwo ein Kochtopf auftaucht, der mehr strahlt, als er darf? Dass diese Frage überhaupt auftaucht, zeigt, wie missglückt die Kommunikation der Zuständigen mit der Öffentlichkeit ist. Und dass der Branchenverband der Stahlindustrie darauf hinweist, dass in Deutschland und Österreich hergestellter Stahl auf keinen Fall kontaminiert sein kann, ist ja schön. Aber schließlich kamen die kontaminierten Aufzugsknöpfe und andere Maschinenteile aus Indien nach Deutschland.
Panikmache ist in diesem wie in jedem anderen Fall unangebracht - aber Geheimniskrämerei auch. Gerade weil es um ein sensibles Thema geht, das mit vielen Ängsten besetzt ist. Mag ja sein, dass tatsächlich alle Chargen der problematischen Lieferungen sichergestellt sind, es gibt dennoch spannende und vor allem offene Fragen, über die geredet werden muss.
Wo ist die Lücke im Kontrollsystem? Welcher Schaden ist welchen Unternehmen entstanden? Wer kommt dafür auf? Wie kann in der EU ein Sicherheitsnetz geschaffen werden, dass solche Importe unmöglich macht? Und müssen wir tatsächlich damit leben, dass immer mal wieder eine altes Bestrahlungsgerät aus irgendeinem Krankenhaus in den Schmelzofen geworfen wird?
Alle Beteiligten täten gut daran, diese Fragen offen und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Um dann endlich zu handeln.
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