Kommentar radioaktiver Stahl: Beredte Stille
Nachdem entdeckt wurde, dass seit August 150 Tonnen radioaktiver Stahl nach Deutschland importiert wurden, halten sich die beteiligten Behörden bedeckt. Aber der Sachverhalt muss in der Öffentlichkeit diskutiert werden.
150 Tonnen radioaktiv belasteter Stahl sind seit August nach Deutschland gekommen - und erst jetzt wird darüber gesprochen. Oder genauer: Vertreter von Bund und Ländern und der Stahlindustrie reden miteinander. Was der genaue Inhalt ihrer Gespräche ist, darüber geben sie keine Auskunft.
Auch wer nachfragt, bekommt nur den Hinweis auf dürftige Pressemitteilungen. In diesen erklärt das Bundesumweltministerium, dass eine Gesundheitsgefährdung "nach Angaben der zuständigen Landesbehörden" nicht bestehe und dass außerdem Konsumgüter "bislang" nicht betroffen seien.
Völlig klar, hier will sich das Ministerium absichern. Doch wogegen? Gegen den Fall, dass doch noch irgendwo ein Kochtopf auftaucht, der mehr strahlt, als er darf? Dass diese Frage überhaupt auftaucht, zeigt, wie missglückt die Kommunikation der Zuständigen mit der Öffentlichkeit ist. Und dass der Branchenverband der Stahlindustrie darauf hinweist, dass in Deutschland und Österreich hergestellter Stahl auf keinen Fall kontaminiert sein kann, ist ja schön. Aber schließlich kamen die kontaminierten Aufzugsknöpfe und andere Maschinenteile aus Indien nach Deutschland.
Panikmache ist in diesem wie in jedem anderen Fall unangebracht - aber Geheimniskrämerei auch. Gerade weil es um ein sensibles Thema geht, das mit vielen Ängsten besetzt ist. Mag ja sein, dass tatsächlich alle Chargen der problematischen Lieferungen sichergestellt sind, es gibt dennoch spannende und vor allem offene Fragen, über die geredet werden muss.
Wo ist die Lücke im Kontrollsystem? Welcher Schaden ist welchen Unternehmen entstanden? Wer kommt dafür auf? Wie kann in der EU ein Sicherheitsnetz geschaffen werden, dass solche Importe unmöglich macht? Und müssen wir tatsächlich damit leben, dass immer mal wieder eine altes Bestrahlungsgerät aus irgendeinem Krankenhaus in den Schmelzofen geworfen wird?
Alle Beteiligten täten gut daran, diese Fragen offen und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Um dann endlich zu handeln.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart