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Kommentar palästinensische AutonomiebehördeEin Feigenblatt fällt ab

Kommentar von Georg Baltissen

Bittere Ironie: Erst mit seinem angekündigten Rückzug sorgt Mahmud Abbas wieder für Bewegung im nahöstlichen Politgeschehen.

E rst mit seinem angekündigten Rückzug sorgt Mahmud Abbas wieder für Bewegung im nahöstlichen Politgeschehen. Das ist die bittere Ironie am Ende der fünfjährigen Amtszeit des glücklosen Palästinenserpräsidenten. Man braucht keinen palästinensischen Verhandlungspartner, wenn es nichts zu verhandeln gibt, so Abbas Botschaft. Das späte Eingeständnis ist treffend, denn die Zwei-Staaten-Lösung ist perdu. Israels Siedlungsbau - von den USA kritisiert, aber nicht sanktioniert - macht einen Palästinenserstaat unmöglich. Ein paar Autonomieenklaven, die den Palästinensern weniger Bewegungsfreiheit lassen als einst den Schwarzen in Südafrikas Bantustans, kann niemand ernsthaft als Friedenslösung verkaufen - nicht einmal Abbas.

Israel und das Nahostquartett verlieren damit ihr palästinensisches Feigenblatt. Manche Palästinenser fordern jetzt sogar eine Auflösung der ganzen Autonomiebehörde. Denn zu oft sahen sich deren Verantwortliche zuletzt in die Rolle eines Quisling-Regimes der israelischen Besatzungsmacht gedrängt.

Um dem zu entkommen, verfolgt Premier Salam Fajad seit Monaten den Aufbau palästinensischer Institutionen, die nach einer Unabhängigkeitserklärung staatliche Funktionen übernehmen könnten - ganz nach dem Vorbild der zionistischen Organisationen vor Israels Staatsgründung. Die neuerliche Proklamation eines Staates Palästina in den Grenzen von 1967 will die palästinensische Führung dann vom UN-Sicherheitsrat billigen lassen.

Die Oslo-Vereinbarungen wären damit Makulatur. Verhandelt werden müsste dann auf einer Grundlage, die eine direkte Zwei-Staaten-Lösung wieder ins Spiel bringt. Im UN-Sicherheitsrat findet die Idee durchaus Anklang. Israels Premier Netanjahu will die US-Regierung deshalb auf ein Veto gegen eine solche Resolution einschwören. Wieder einmal liegen die Würfel in Washington.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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2 Kommentare

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  • HS
    Hartmut Scharf

    Vielen Dank für diesen guten Kommentar von Georg Baltissen. Ich habe mich schon lange gefragt, warum nicht bereits Arafat, nachdem das Scheitern des Oslo-Abkommens - bzw. dessen Durchführung durch die Verzögerungen von der israelischen Seite - sichtbar wurde, in Abstimmung mit den arabischen Staaten den Staat Palästina in den Grenzen von 1967 (Westjordanland inkl. Ostjerusalem und dem Gazastreifen) proklamiert hat. Eine Reihe von Staaaten hätte ihn sicher anerkannt, andere nicht, aber er wäre somit als Objekt des Völkerrechts präsent gewesen und Israel hätte sich damit auseinandersetzen müssen. Damit wären Fakten geschaffen, ähnlich wie durch die Proklamtion des Staates Israel im Mai 1948.

     

    Heute befindet sich die palästinsische Autonomiebehörde in der Situation, dass sie nur noch das Scheitern des Oslo-Prozess erklären und sich auflösen kann oder den mutigen Schritt nach vorn macht und den Staat Palästina ausruft.

  • A
    Andres

    Ob die Zwei-Staaten-Lösung wirklich weg ist? Für immer verschwunden im Elend der Israel-Palästina-Verhandlungen? US-Präsident Obama hat genau diese Lösung gefordert. Es würde mich wundern, wenn jetzt gar nicht mehr auf eine tragfähige Lösung hingearbeitet wird, denn das wäre ja die beste Motivation für Hamas und Radikalisten, weiter Terroranschläge zu verüben.

    Ich denke, die Situation ist so verfahren, weil Israel nicht von den Siedlern abrückt. Die sitzen wie Fremdkörper in der West-Bank und sind bewaffnet. Diese Siedlungen müssen geräumt werden - alles andere ist eine Lebenslüge. Sonst eskaliert die Situation so lange, bis es militärisch-politisch nicht mehr geht. Das war in Gaza auch so - die Siedlungen dort will heute eh niemand mehr zurück in Israel.

    Israel provoziert die Gewalt, die es dann in großer und gekonnter PR-Manier anprangert. Das Ganze bezahlen am Ende auch noch die EU und die USA - die Israelis aber mit ihrem Frieden und ihrer Sicherheit. Die harte Haltung hat bislang nur eine Eskalation nach der Nächsten gebracht. Abbas tritt ab, weil er nichts mehr tun kann. Das ist schon bitter, wenn man es so sieht und wer soll ihm folgen und was kann ein Neuer bewirken?

    Am Ende bleiben viele Fragen und das bedeutet m.M. nichts Gutes.