Kommentar irakische Flüchtlinge: Unterlassene Nothilfe
Die EU drückt sich um die Aufnahme irakischer Flüchtlinge herum. Dabei gibt es keine Rechtfertigung, Akuthilfe für besonders hilfsbedürftige Personen weiter aufzuschieben.
Christian Rath ist Korrespondent für Rechtsfragen bei der taz.
Wieder einmal drohen Flüchtlinge zwischen die Mühlsteine politischer Interessen zu geraten. Die EU hat gestern die Entscheidung über die Aufnahme von geflohenen Irakern auf den Herbst verschoben. Nachdem ausgerechnet Deutschland diese Verschiebung beantragt hat, besteht nun auch wenig Hoffnung auf einen deutschen Alleingang. Doch was soll sich bis Herbst ändern?
Man kann gut verstehen, dass die Iraker, die vor allem nach Syrien und Jordanien geflohen sind, nicht mehr auf eine baldige Rückkehr hoffen. Sie haben durch den Terror muslimischer Extremisten Familienangehörige und Nachbarn verloren, sie wurden bedroht, ihre Geschäfte wurden geplündert, und vor allem haben sie erlebt, dass niemand ihren Schutz garantieren will und kann.
Die Nachbarländer haben vorerst Hunderttausende von ihnen aufgenommen, sind aber nicht zur dauerhaften Integration bereit. Die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR sucht deshalb zu Recht für die besonders Schutzbedürftigen unter ihnen neue Aufnahmeländer, zum Beispiel in Europa.
Wenn Iraks Ministerpräsident Maliki und örtliche Kirchenführer nun vor einer vorschnellen Aufnahme von irakischen Flüchtlingen warnen, haben sie vor allem eigene Interessen im Blick. Maliki hofft auf das Engagement der gut ausgebildeten Christen beim Wiederaufbau des Landes. Die zurückgebliebenen Christenführer fürchten ein Ausbluten ihrer Gemeinden. Deshalb besteht die Gefahr, dass sie die Lage im Irak beschönigen und die Bedürfnisse der Flüchtlinge vernachlässigen.
Nun muss man sich keine Illusionen über die Aufnahmebereitschaft Europas machen. Mehr als einige zehntausend Personen werden am Ende wohl kaum nach Europa kommen dürfen. Sinnvollerweise sollten dabei die schutzbedürftigsten ausgewählt werden - also die Kranken, Behinderten und schwer Traumatisierten, unabhängig von ihrer Religion. Weil diese Personen besonders hilfsbedürftig sind, würde dies die Lage in den irakischen Nachbarstaaten bereits spürbar entspannen. Es gibt keine Rechtfertigung, gerade diese Akuthilfe weiter aufzuschieben.
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