Kommentar geschlossene Heime: Kein Spielraum für Experimente
Es gibt keinen Anspruch der Gesellschaft auf eine von auffälliger Jugend gesäuberte Stadt. Doch es gibt den Anspruch für Minderjährige, Hilfe zu bekommen.
D ie Versorgung von minderjährigen Flüchtlingen ist eine Herausforderung für Städte wie Hamburg und Bremen. Die Pläne für ein geschlossenes Heim scheinen aber eher der bevorstehenden Wahl an der Weser geschuldet als reiflicher Überlegung. Nur nicht rechts überholen lassen von CDU oder AfD, scheint die Devise.
Doch auch rechte Parteien müssen sich ans Gesetz halten. Geschlossene Heime sind keine Kindergefängnisse, in die man mühelos junge Menschen stecken kann. Freiheitsentziehung in der Jugendhilfe wird von Richtern nur erlaubt, wenn eine Kindeswohlgefährdung nicht anders abgewendet werden kann.
Die Jugenddelinquenz sinkt seit Jahren, aber sie wird nie ganz verschwinden. Es gibt keinen Anspruch der Gesellschaft auf eine von auffälliger Jugend gesäuberte Stadt. Doch es gibt zweifellos Probleme und es gibt den Anspruch für Minderjährige, die passende Hilfe zu bekommen.
Ob ein Platz im geschlossenen Heim dazu gehört, ist umstritten. Was hilft es, wenn junge Menschen mit Problemen auf engem Raum zusammen sind? Vieles, was in Heimkonzepten steht, klingt nur gut. Im Alltag gelebt, können dort gepriesene enge Strukturen und Phasen-Modelle mit unterschiedlichem Grad an Freiheitsentzug zur Hölle werden. Und dass so ein Heim Jugendliche vor dem Knast bewahrt, ist nicht belegt.
Wer geschlossene Heime sagt, muss die Gefahr von Machtmissbrauch mitdenken, ist in der Bringschuld dazulegen, wie er eine Schädigung der Insassen verhindert. Hier ist nach jüngsten Heimskandalen kein Spielraum mehr für Experimente.
Vielleicht lassen sich deshalb die Hamburger SPD-Genossen mit ihrem angekündigten geschlossenen Heim mehr Zeit. Eine kleine Gruppe der Hamburger Jugendflüchtlinge gilt als drogenabhängig oder traumatisiert. Aber für sie ist kein geschlossenes Heim geplant. Stattdessen reagiert die Stadt mit einem, teilweise umstrittenen, aber differenzierten Maßnahmepaket.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!