piwik no script img

Kommentar dezentrales KraftwerkNeue Ära der Stromwirtschaft

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Das Projekt von Lichtblick zeigt, dass erneuerbare Energien "grundlastfähig" sind.

D er Ökostromer Lichtblick mischt zusammen mit Volkswagen den Strommarkt auf: 100.000 dezentrale Kraftwerke sollen bald in Kellern von Privathäusern stehen und jeweils dann laufen, wenn im Stromnetz Bedarf herrscht. Sie sollen damit als Ergänzung zu den erneuerbaren Energien dienen und deren Schwankungen ausgleichen.

Grundsätzlich neu ist das Konzept nicht. Seit dem Boom der erneuerbaren Energien gehört die Idee zum Standardrepertoire eines jeden Energieexperten. Aber gerade das macht die Ankündigung des Hamburger Unternehmens so spannend: Lichtblick will umsetzen, was bislang stets nur Theorie war.

Gleich zwei lähmende Debatten dürften damit auf einen Schlag beerdigt sein. Zum einen widerlegt das Projekt die längst bizarr gewordene Argumentation der Atomlobby, man brauche die Nukleartechnik, weil die erneuerbaren Energien nicht "grundlastfähig" seien. Springen künftig hochflexible Kleinkraftwerke immer dann ein, wenn der Wind schwächelt, verpufft damit das letzte vermeintliche Argument der Atombranche.

privat

Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Seit Jahren analysiert er die Energiepolitik für die taz.

Die zweite Debatte betrifft die Ökostromer selbst. Denn Lichtblick zeigt, warum ökologisch orientierte Kunden unbedingt den Stromversorger wechseln sollten: um die Strukturen der etablierten Energiewirtschaft aufzubrechen. Leider dominierte stattdessen bislang eine oft kleinkariert geführte Diskussion um Ökostromlabel und darum, wie der wahre Ökostrom definiert ist. Doch Fakt ist, dass der rasante Ausbau von Windstrom und Photovoltaik nicht dem Ökostromhandel zu verdanken ist, sondern dem Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Das entscheidende Argument für den Stromwechsel liegt folglich darin, dass Stromgeld umgeleitet wird - weg von den Anbietern, die den Machtstrukturen der Atomlobby verhaftet sind, hin zu jenen, die eine Energiewende wollen. Das Unternehmen Lichtblick - in der Ökoszene manchmal kritisch beäugt, weil es weniger Charme hat als die Elektrizitätswerke Schönau, die aus einer Bürgerinitiative hervorgingen - zeigt mit dem neuen Projekt, dass es die Energiewende ernst meint. Mit dem Konzept hat eine neue Ära der Stromwirtschaft begonnen, die die Luft für die Atomkraft dünn werden lässt. Und dass Lichtblick dieses Projekt auch noch kurz vor der Bundestagswahl lanciert und damit die Atompropagandisten bloßstellt, macht die Sache besonders erfrischend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • MV
    Michel Voss

    FIAT hatte das bereits 1976 erstmals angekündigt als "Totem" (Total Energy Module):

    The Motor, Band 149‎, 1976

    "High efficiency is what Fiat claim for Totem. Apart from the 15kW of electricity it produces some i 33000 kg-cal per hour of heat at a total energy ..."

     

    "Free home heating from a car-engine furnace"

    Popular Science, Aug. 1977

    "... 100000 of them could save Italy 500000 tons of imported oil a year ..."

    http://books.google.de/books?id=KQEAAAAAMBAJ&pg=PA10&lpg=PA10&dq=Fiat+Total+energie+modul&source=bl&ots=V4UUrttzdE&sig=WU6d71rxXLSNpd_22EP8FFtue8w&hl=de&ei=zXcdS7nMCdKr4QbcupToAg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CA0Q6AEwADgK#v=onepage&q=&f=false

  • G
    gregor

    Das ist immer noch nicht dezentral, weil Erdgas aus einer "Zentrale" kommt.

  • T
    thorwest

    Ihren Kommentar hier eingebendas ding gibt es schon lange: seit den 80ern gibt es die energiewerkstatt in hannover, die bhkws dieser grösse anbietet, sie sind mit einem 1600 ccm motor von ford ausgerüstet. auch in kreuzberg stehen einige aggregate von diesen herum, ich betreibe 3.

  • GB
    Gunter Brandt

    Bereits im Jahr 1976 habe ich im Rahmen eines Schweizer Ingenieurbüros (Nüscheler, Münchenstein) den Motor des ersten Golf auf Erdgas umgerüstet und damit ein Mini-Blockheizwerk wie es in dem Artikel angekündigt wird für die Stromversorgung und zum Heizen mit der Abwärme gebaut.

    Ich war damals auch bei VW in Wolfsburg und habe die Herrschaften "bedrängt" nicht nur jährlich 4 Millionen rollende Kraftwerke (Autos) zu bauen sondern in Serie und damit vergleichsweise preisgünstig solche Kleinstkraftwerke wie in dem Artikel erwähnt. Ich habe damals bereits nachgewiesen, dass solche "Micro-Kraftzwerge" (Micro-BHKW) das Zeug dazu hätten, die weniger effiziente Technologie herkömmlicher Heizkessel zügig zu ersetzen und den Bau von Kernkraftwerken überflüssig zu machen - allein durch die bessere Effizienz und Ausnutzung der vorerst noch zu verwendenden Energieträger Erdgas und Öl.

    Dabei verwies ich bereits damals darauf, dass dies die entscheidende "Brückentechnologie" sei hin zu einer regenerativen Energiezukunft auf der Basis der natürlichen Quellen Biomasse, Sonne, Wind, Wasser etc.

    Ich wurde damals verlacht oder "abgebürstet" mit dem Verweis auf den Widerstand der Stromwirtschaft, in späteren Jahren unter anderem auch von Prof. Schäfer (damaliger Energie-Guru der Stromwirtschaft in München) oder Herrn Dremel von Audi und vielen anderen.

    Nun 33 Jahre und damit eine ganze verschenkte Generation später wird VW von Lichtblick anscheinend endlich "wachgeküßt", die anderen Autoproduzenten (mit Ausnahme von Honda, die so ein Mikro-BHKW seit einigen Jahren anscheinend aber bisher nur in Japan vertreiben) verschlafen hier weiter die Energie-Zukunft.

    Dabei sind die Autohersteller wohl die einzigen, die Micro-BHKWs in Größtserie (ähnlich wie Autos) so preisgünstig herstellen können, dass hunderttausende von Hausbesitzern ein solches Micro-BHKW statt eines Heizkessels in den Keller stellen könnten, insbesondere dort wo es mangels Anschlussdichte keine Chancen für ähnlich effiziente Nah- oder Fernwärme aus größeren BHKWs gibt.

    Alles was es hier bisher auf dem Markt gibt wie etwa den Dachs von SENERTEC, Ecopower (jetzt vom Vailant), Whispergen, Sunmachine, SOLO-Stirling, LION etc. wird demgegenüber bisher nur in Microserien und damit praktisch in Handarbeit produziert, so dass diese Geräte vielfach überteuert sein müssen und damit der große Durchbruch, den ich bereits vor 33 Jahren als möglich und als "ein" Effizienzrezept gegen die Ressourcen- und Klimakrise als zwingend ansah bislang ausbleibt.

    Dabei können Micro-BHKWs auch noch vorteilhaft helfen, die winterliche Stromlücke zu füllen, die bei zunehmendem Einsatz von PV und Wind entsteht, gesteigert noch durch das massive Vordringen der Wärmepumpen wobei Kernkraftwerke oder Kohlekraftwerke erst recht keine Option darstellen, da diese als Grundlastkraftwerke das ganze Jahr hindurch gleich ausgelastet werden wollen und nicht in erster Linie im Winter zur Versorgung zusätzlichen Verbraucher wie der Wärmepumpe. Hier schlägt eher die große Stunde der Micro-KWK.

    Leider dauert es wohl (zu) lang, bis sich die einfache Erkenntnis von der Effizienzevolution des KWK-Prinzips auch in der Praxis durchsetzt.

    Übrigens sind MICRO-BHKWs auch gut dafür geeignet, als Pendant zu Elektroautos eingesetzt zu werden. Bildlich gesprochen holt man sich damit die Abwärme des Automotors in den Keller (zum Heizen), in dem dort mit dem bisher im Auto befindlichen Motor der Strom erzeugt wird, mit dem dann das Auto draußen effizient und emissionsarm im Nahbereich elektrisch bewegt werden kann.

    Auch auf diese Chance habe ich vor über dreißig Jahren und von da an immer wieder bislang vergebens hingewiesen.

    Gut wenn es jetzt anders kommt

    Ein Artikel den ich vor 30 Jahren zum Thema schrieb trug übrigens die auch heute noch passende Überschrift:

    WKK statt KKW

    Übersetzt Wärme-Kraft-Kopplung statt Kernkraftwerke.

    Damals verhallte mein Ruf danach leider vergebens, wenn s jetzt klappt - um so besser!

     

    Gunter Brandt

    gut.energie@gmx.de