Kommentar der Fall Tebartz-van Elst: Unser aller Dalai Lama
Egal, was Papst Franziskus in der Causa Bischof Tebartz-van Elst entscheidet, er kann nur gewinnen. Überhaupt wird er dem Dalai Lama ähnlicher.
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W as immer der Fall Franz-Peter Tebartz-van Elst noch bringen mag, die katholische Kirche hat schon jetzt gewonnen. Das mag überraschend klingen, aber in der gegenwärtigen Debatte über deutsche Bistümer und ihren obszönen Reichtum wird allzu leicht die Leidenschaft übersehen, mit der hier debattiert wird.
Sie zeigt: Es geht um mehr als Geld. Es geht um die Verfehlungen, das Selbstverständnis, die Hybris, die Ideale von Kirche. Offenkundig betrifft die Affäre um Bischof Tebartz-van Elst deshalb nicht nur die 669.271 katholischen Kirchensteuerzahler im Bistum Limburg, sondern die gesamte deutsche Öffentlichkeit. So gespannt und geschlossen nach Rom geblickt hat man hier sehr, sehr lange nicht mehr.
Am Montag hatte der umstrittene Bischof nun eine Audienz beim Papst. Und ganz egal, was Franziskus entscheidet, er kann nur an Statur gewinnen. Überhaupt wird der Papst als geistlicher Führer mit dem Charisma der Bescheidenheit einem Dalai Lama immer ähnlicher. Und auch sonst kennt diese Affäre nur Gewinner.
Da sind die konservativen Katholiken, die dem Bischof im Namen der Barmherzigkeit weiter den Stab halten; die fortschrittlichen Christen, die auf Reformen hoffen und dass der Vatikan ein Exempel statuiert; die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die etwa im Bistum Kindergärten renovieren und Alte betreuen – sie alle sind jetzt die guten Christen, die sie immer sein wollten.
Selbst die, die nur hoffen, dass der Bischof sein Amt niederlegt, gestehen dem Amt Bedeutung zu. Verhandelt wird also das wahre Kapital der Kirche: ihre spirituelle Integrität und die daraus folgende moralische Weisungsbefugnis. Und was könnte der vom Papst prospektierten „armen Kirche für die Armen“ gelegener sein als eine öffentliche Diskussion darüber, was ihr nützt und was nicht?
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