Kommentar befreite PKK-Geiseln: Die hilflose PKK
Mit dem Kidnapping hat sich die PKK wieder ins Gedächtnis gerufen. Und um mehr dürfte es dabei nicht gegangen sein.
Vor der Entführung der deutschen Bergsteiger hatte man sie hierzulande fast schon vergessen, die Kurdische Arbeiterpartei PKK und ihren seit beinahe einem Vierteljahrhundert andauernden bewaffneten Kampf für - ja wofür eigentlich? Ging es in den ersten Jahren um einen eigenen, irgendwie sozialistischen kurdischen Staat, sind die Ziele seit der Verhaftung Abdullah Öcalans Anfang 1999 und den vorangegangenen militärischen Rückschlägen immer nebulöser geworden. Selbst ihren Namen hat sie seither so oft gewechselt, dass sie fast Rumpelstilzchen-Niveau erreicht hat. Professionelle Politikberater würden sagen: Die PKK hat Profil verloren.
Dass im Ausland das Interesse an der kurdischen Sache abgenommen hat, liegt auch in den Entwicklungen in der Türkei. Erst dominierten Erfolgsmeldungen über die Reformen der AKP, dann eskalierte der Konflikt mit dem kemalistischen Establishment. Die PKK geriet darüber in Vergessenheit, obwohl sie den bewaffneten Kampf wiederaufnahm und auch die AKP-Regierung kaum Fortschritte in der Kurdenfrage vorweisen konnte.
Mit dem Kidnapping hat sich die PKK wieder ins Gedächtnis gerufen. Und um mehr dürfte es dabei nicht gegangen sein, selbst wenn sie, was nicht bekannt ist, dabei noch Trinkgeld herausschlagen konnte. Von der Großspurigkeit früherer Tage ist diesmal nichts zu spüren: Anfang der Neunzigerjahre begründete die PKK die Entführung von Touristen gerne damit, diese hätten ohne Visum kurdisches Territorium betreten. Wenn die PKK bei dieser Geiselnahme etwas demonstriert hat, dann nicht Macht, sondern Hilflosigkeit.
Als die Freilassung der Geiseln bekannt wurde, tagte in Ankara der Parteitag der prokurdischen DTP, auf dem der Vorsitzende Ahmet Türk zu einer Anerkennung der Guerilla aufrief. Doch davon ist die Türkei weit entfernt. Selbst die DTP, die potenziell die PKK überflüssig machen könnte, ist gleich der regierenden AKP von einem Verbot bedroht. Mit der Entführung hat die PKK vielleicht kurzzeitig auf diese Dinge aufmerksam gemacht. Mehr nicht. Denn mehr als ein Nebenkriegsschauplatz ist der Kurdenkonflikt derzeit nicht - wenngleich ein für Touristen gefährlicher. DENIZ YÜCEL
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!