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Kommentar aktuelle ScheidungszahlenEine Chance zur Emanzipation

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die Ehe als Lebensversicherung vor allem für Frauen ist ins Wanken geraten. Warum hält der Staat dann noch am Ehegattensplitting fest? Es braucht neue Modelle.

E in Trend hält an: Im vergangenen Jahr wurden 187.000 Ehen geschieden. Damit traten 11 von 1.000 Ehepaaren vor den Scheidungsrichter. In den vergangenen 25 Jahren scheiterte jede dritte Ehe.

Hat die Ehe als Form des Zusammenlebens ausgedient? Nicht ganz, denn es gibt immer noch genügend Frauen und Männer, die ihre Liebe mit einem Trauschein besiegeln. Aber die Lust zu heiraten sinkt: Gab es vor zwanzig Jahren 22 Millionen Ehen, sind es jetzt 17 Millionen. Vielmehr leben Paare, auch mit gemeinsamen Kindern, heute ohne Trauschein zusammen. Auch das Alter der Heiratswilligen und die Zahl der Eheverträge steigt - ein Indiz dafür, dass man sich länger überlegt, ob, an wen und wie man sich bindet. Es gibt mehr Zweitehen und mehr Patchwork-Familien.

Auf diese Lebensrealität hat der Gesetzgeber reagiert: Er hat das Unterhaltsrecht reformiert, durch das Expartner aufgefordert sind, nach der Scheidung wieder für sich selbst zu sorgen. Er hat das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder eingeführt und die Vätermonate geschaffen. Kurz: Die Ehe als Lebensversicherung vor allem für Frauen ist ins Wanken geraten.

Bild: privat
Simone Schmollack

ist taz-Redakteurin für Frauen- und Geschlechterpolitik.

Deshalb ist es umso fragwürdiger, warum der Staat nach wie vor am Ehegattensplitting festhält, das vor allem das überholte Alleinverdienermodell finanziell unterstützt. Warum keine Individual- oder noch besser eine Familienbesteuerung? Fragwürdig ist ebenso, warum viel zu wenig Arbeitgeber familiengerechte Arbeitsmöglichkeiten zulassen, warum nicht jedes Kind einen Kita-Platz hat und warum die meisten Männer nur zwei Monate in Elternzeit gehen.

Für Frauen heißt das: Eine Scheidung ist zwar persönlich tragisch. Das Ende des Lebensentwurfs Ehe ist eine Herausforderung. Aber es kann auch eine Chance zur Emanzipation sein, die Frauen nutzen sollten.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

8 Kommentare

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  • TS
    Thomas Sochart

    Das Ehegattensplitting gilt für alle, die verheiratet sind. Der Staat fragt nicht, ob es sich um eine gute oder schlechte Ehe handelt. Die Ehepartner müssen auch nicht zusammen wohnen oder gemeinsame Kinder haben. Alles was sie tun müssen ist formell verheiratet sein. Deshalb soll es Leute geben die sich aus steuerlichen Gründen nicht scheiden lassen, damit dem Unterhaltspflichtigen die Lohnsteuerklasse III erhalten bleibt. Das Ehegattensplitting fördert die Hausfrauen- bzw. Alleinverdiener-Ehe. Und Kinder bekommen sie sowieso - oder auch nicht.

    Die Steuervorteile sollen dem Unterhaltspflichtigen auch nach Trennung oder Scheidung erhalten bleiben, denn das Leben mit 2 Haushalten wird nicht billiger, sondern teurer. Doppelte Haushaltsführung und gleichzeitig Rückstufung in Lohnsteuerklasse I für den Unterhaltspflichtigen. Das ist ja die Schere, in die viele Eltern hinein geraten.

    Also sollte man Steuervorteile nicht an der Ehe, sondern an der Elternschaft fest machen. Hier könnte man die Zahl der Kinder einrechnen. z.B. pro Kind 10% weniger EKST für Vater und Mutter.

  • J
    Jörn

    Das Ehegattensplitting begünstigt Ehepaare bei denen nur ein Ehepartner arbeitet unabhängig von etwaigen Kindern und benachteiligt Alleinstehende - auch Alleinerziehende.

    Warum muss ein Alleinerziehender mit einem Kind im Teenageralter bei gleichem Einkommen deutlich mehr Steuern zahlen als ein Ehemann, dessen Ehefrau zu Hause bleibt? Steuern sollten nach der Leistungsfähigkeit erhoben werden. So sollte auch der Unterhalt steuerlich abzugsfähig sein und bei den Empfängern als Einkommen angerechnet werden. Arme Empfänger würden sowieso darauf keine Steuern zahlen müssen und auf Grund der geringeren Besteuerung bei den Unterhaltszahlern würde der Unterhalt in der Höhe steigen.

    Am meisten trifft die aktuelle Besteuerung und das aktuelle Sorgerecht die Menschen, die nicht nach dem überkommenen Rollenverständnis leben: "Zweitverdiener" werden maximal besteuert, Alleinerziehende ebenso, wenn sie ihr Einkommen selber verdienen wollen oder müssen. Väter, die sich um ihre Kinder kümmern, werden von Jugendämtern und Gerichten entsorgt und in eine Lohnsklavenrolle gezwungen. Viele dürfen ihre Kinder nicht mehr sehen und müssen in zwei Jobs parallel arbeiten um am Ende für sich selbst vom Existenzminimum leben zu müssen.

    Kein Wunder, dass gerade den neuen Männern die Lust auf Kinder und Familie immer häufiger vergeht.

    Langsam setzt hier ein Umdenken ein und immer mehr Menschen verstehen, dass Väterrechte und Frauenemanzipation keine Gegensätze sondern wichtige Bestandteile für eine gleichberechtigte Gesellschaft ohne Geschlechterrollenzwang sind.

  • T
    tazitus

    Und wie wollen Sie einen "change" für "Altehen" (z.B. 36 Jahre verheiratet) hinkriegen? Rückwirkendes Familien-Steuersplitting etwa? Könnte ja interessant sein.

     

    Erstellen Sie doch mal eine Musterrechnung für ein solches Paar, das drei Kinder aufgezogen und erzogen hat, wo der "Alleinverdiener" kurz vor der Rente steht und die Gattin sich immer fein "ausgeruht" hat. Einen eigenen Rentenanspruch hat sie natürlich nicht. Sie hat ja eine "Lebensversicherung". Das bisschen Haushalt machte sich immer von allein, und die Betreuung der Kinder der berufstätigen Töchter sollte sowieso noch Vergnügungssteuer-pflichtig gemacht werden.

     

    Obwohl, werte Frau Schmollack, da ich ihre Kommentare fast immer lese und bei Ihnen eine starke Neigung feststelle, vom eigenen Umfeld auf das Allgemeine zu schließen, vermute ich, dass Sie sich gar nicht vorstellen können, dass es einen "Fall", wie ich ihn geschildert habe, überhaupt gibt....

     

    P.S.: Ach ja, der "Alleinverdiener", mit dann 47 Berufsjahren, und seine Gattin werden auch nach dem Eintritt in den Ruhestand weiter Einkommensteuer-pflichtig bleiben. Wohlhabend sind sie nicht.

  • U
    Untergebener

    "Die Ehe als Lebensversicherung vor allem für Frauen ist ins Wanken geraten. "

     

    - Yep. Lebensversicherung. Gut ausgedrückt.

    Mir kommt´s allerdings so vor, bei dem was man(n) (zumindest hier) so (weibliches) kennenlernt, dass die Lebensversicherung oft noch den größten Platz im Hinterkopf einnimmt.

    Bin doch immer wieder erstaunt wie schnell Frauen das Wort Heirat aussprechen. Oder Kinder.

    Sorry, aber mir geht´s (momentan) leider zu gut für ne Ehe. Oder Kinder.

    Wenn man(n) solchen Gesprächen aus dem Weg gehen will gibts (leider) nur ein Wort, von meiner ChefIN:

    - EHEVERTRAG ;)

    Das wirkt.

    Keine Heirat, keine Scheidung und meine Lebensversicherung bleibt wo sie hingehört.

    Thx Boss (BossIN???)

  • C
    Comment

    So lange in Deutschland - und allen politischen Flügelkämpfen zum trotz - ins selbe Horn geblasen wird, dass Kinder zur Mutter gehören, ist die scheinheilige Frage "warum die meisten Männer nur zwei Monate in Elternzeit gehen" bereits beantwortet.

     

    Wenn es der Gesellschaft gelingt sich von diesem Grundsatz zu verabschieden, ergeben sich erst die gestellten Fragen.

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Was soll an einer Steuererhöhung für Ehepaare - nichts anderes ist die Abschaffung des Ehegattensplittings - eigentlich so toll sein?

  • S
    Stefan

    Die Institution Ehe, zumindest die staatlich relevante, abschaffen und Kinder fördern - auch solche, deren Eltern keine Steuern zahlen (können).

  • M
    Maria

    Der Punkt ist aber, dass Frauen nur dann bei der Scheidung nicht die Zeche zahlen, wenn sie sich bereits vorher "emanzipiert" haben und sich nicht auf alte Rollenmodelle und abgeleitete Sicherung durch das Erwerbseinkommen ihres Ehemannes eingelassen haben. Das macht der Staat den Paaren schwer.

    Warum aber das Ehegattensplitting durch eine Familienbesteuerung ersetzen, die doch dem gleichen Prinzip folgen würde wie die jetzige Ehegattenbesteuerung??? Das passt irgendwie nicht in die Argumentation.