piwik no script img

Kommentar "Zug der Erinnerung"Peinlich und dumm

Kommentar von Philipp Gessler

Eine aktive Unterstützung des "Zuges der Erinnerung" hätte dem Image der Bahn gut getan, so schmerzlich die Erinnerung an die Mitschuld der Reichsbahner in der Nazizeit sein mag.

Die Sprecher der Bahn sind in diesen Tagen nicht zu beneiden. Sie müssen eine Politik ihres sturköpfigen Chefs Hartmut Mehdorn nach außen vertreten, die beim besten Willen kaum zu verteidigen ist. Der Bahnchef will nämlich den "Zug der Erinnerung", der dem Gedenken an die im Holocaust deportierten Kinder und Jugendlichen gewidmet ist, von seinen prächtigen neuen Bahnhöfen fernhalten. Der Leiter des staatseigenen Unternehmens verursacht damit ein Desaster nicht nur für seinen Konzern, sondern auch für die Bundesrepublik als Ganzes. Dümmer kann man Vergangenheitspolitik nicht machen.

Sicherlich: Das Gebaren und die Forderungen der Initiatoren des Gedenkzuges sind anstrengend - und auch deshalb hat sich in den vergangenen Monaten die Atmosphäre zwischen den Gedenkzug-Betreibern und der Bahn immer mehr zerrüttet. Dennoch hätten die Verantwortlichen der Bahn AG schön längst über ihren Schatten springen müssen. Eine aktive Unterstützung des "Zuges der Erinnerung" hätte dem Image der Bahn sogar gut getan, so schmerzlich die Erinnerung an das Versagen und die Mitschuld der Reichsbahner in der Nazizeit sein mag.

Die Bahn hätte deutlich machen können, dass sie sich ihrer trüben Vergangenheit stellt. Aber dazu fehlte ihr der Mut. Und dass sie stattdessen eine mühsam erkämpfte Ersatz-Ausstellung "Sonderzüge in den Tod" über ihre Bahnhöfe touren lässt, geht angesichts des Streits über den "Zug der Erinnerung" vollends unter. Selbst schuld.

Der Bahn geht es bei all dem schon längst nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um das letzte Wort. Das wird daran deutlich, dass das Präsidium des Bahn-Aufsichtsrats bereit ist, 100.000 Euro zu spenden für jüdische Organisationen - für den "Zug der Erinnerung" aber auf keinen Fall. Die Bahn fordert vom Gedenkzug in etwa diese Summe an Stand- und Trassengebühren bis zum Ende der Fahrt nach Auschwitz. Das ist so peinlich und empörend, dass man am liebsten den Rücktritt Mehdorns fordern würde. Nur hätte das bei diesem Sturkopf gar keinen Zweck. PHILIPP GESSLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • D
    Dimitrij

    Ein guter Artikel, danke dafür!

  • O
    Olaf

    Wieso Rücktritt? Rausschmiss!