Kommentar Youtube: Jenny lebt, andere nicht
Youtube entfernt Videos einer betrunkenen Schauspielerin. Aber nicht den umstrittenen Mohammed-Film. Das ergibt schon Sinn.
J enny Elvers-Elbertzhagen (40), hatte einen Fernsehauftritt bei „Das!“ im NDR, am Montag Abend. Und sie war offensichtlich betrunken. Jetzt geht sie in eine Entzugsklinik, sagt sie. Der Teil der Sendung – und darum geht der Streit – ist nicht im Videoarchiv des NDR zu sehen. Die Eskapade wurde zwar beim Videoportal Youtube hochgeladen, aber dann von Youtube wieder gelöscht.
Nun läuft ein Hase-und-Igel-Spiel zwischen Leuten, die es hochladen und Leuten, die bei Youtube beantragen die einzelnen Videoschnipsel wieder zu entfernen. Ist das Runternehmen Zensur? Nein, nein und nochmals Nein. Auch eine Jenny E. hat ein Recht auf Schutz ihrer Person. Weil sie lebt ( „Würde des Menschen“ und so weiter, liebe Hochlader).
Nun ist Jenny E. einigermaßen prominent. Sie tritt im Fernsehen auf, hatte und hat einen Haufen prominenter Freunde und redet mit der Bild-Zeitung, auch über den Faux-pas beim NDR. Das heißt aber nicht, dass ihr Privatleben bis ins Letzte der Öffentlichkeit gehört. Und dass sie kein Recht hat auf Resozialisierung. Wenn sie anfinge, ein Geschäft aus ihrer Alkoholkrankheit zu machen, als Buch, als Soap aus der Entziehungsklinik, als Talkshow-Tour, dann würde sich die Sache wieder anders darstellen. So weit sind wir aber nicht und bis zum Beweis des Gegenteils bleiben ihre Krankheiten ihre Privatsache.
ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Ähnlich privat: die nackten Brüste der britischen Prinzessin Kate. Die Dame hat sie nicht am Strand herum gezeigt oder vom Balkon des Buckingham-Palastes, sondern auf ihrer Ferienveranda. Also geht das auch keinen außerhalb der Veranda etwas an.
Das mit der Menschenwürde und dem Schutz der Privatheit gilt übrigens nicht für Mohammed oder Jesus. Nicht weil die beiden keine Menschen, sondern gottgleich oder -ähnlich wären. So etwas erfasst weder das Grundgesetz noch das Straf- oder Presserecht.
Die beiden sind schlicht keine lebenden Personen. Für sie gilt weder der Schutz der Privatsphäre, noch können sie bei Beleidigungen oder Lügen klagen. Selbst das Urheberrecht für ihre Werke ist längst abgelaufen. So sieht es zumindest Youtube in Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“