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Kommentar Wulffs GlaubwürdigkeitKredit verspielt

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Das Amt des Bundespräsidenten ist beschädigt. Daran sind aber nicht die Medien schuld, sondern Wulff. Nach seinen Lügen wird es ihm schwerfallen, noch Glauben zu finden.

N un sollen also die Medien schuld sein am Ansehensverlust des Bundespräsidenten. Auch ihre "nicht nur an Aufklärung interessierte Berichterstattung" und die "Art und Dauer der Auseinandersetzung" hätten "das Amt und seine Autorität" beschädigt, erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert zum Jahreswechsel. Dieser absurde Angriff offenbart, dass auch den Parteifreunden von Bundespräsident Christian Wulff die Argumente ausgehen.

Dass das Amt beschädigt ist, stimmt ohne Frage. Aber daran sind nun wirklich nicht die Medien schuld, sondern der Präsident selbst. Nicht nur wegen seiner fragwürdigen Kreditgeschäfte, sondern vor allem wegen der Lügen und Halbwahrheiten, die er darüber verbreitet hat. Dass die Wahrheit überhaupt ans Licht kommt, ist allein der Hartnäckigkeit der Medien zu verdanken - dass es so lange dauert, liegt an Wulffs Taktik, immer nur das einzuräumen, was sich nicht mehr bestreiten lässt.

Dass er auch dann nicht die komplette Wahrheit sagt, zeigt sich an den jüngsten Vorwürfen: Mitte Dezember erklärt der Präsident, er habe den vergünstigten Kredit bei der BW-Bank in ein reguläres Darlehen umgewandelt. Jetzt kam heraus, er hat den neuen Vertrag erst eine Woche nach der Erklärung unterschrieben, und er gilt erst ab Mitte Januar.

Bild: taz
MALTE KREUTZFELDT

ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

In der Summe haben die Fehler und Wulffs Umgang damit seine Glaubwürdigkeit schwer beschädigt. Und dieser Schaden wiegt schwer: Weil ein Bundespräsident vor allem von der Wirkung seiner Worte lebt, ist Glaubwürdigkeit sein wichtigstes politisches Kapital.

Dass Wulff wenige Monate vor seinem Privatkredit als Aufsichtsratsmitglied von VW dienstlich mit der BW-Bank zu tun hatte und sie vor der Insolvenz ihres Kunden Porsche bewahrte, gibt dem Skandal neue Brisanz. Wulffs Dementi, es habe "keine irgendwie geartete Interessenkollision" gegeben, reicht nicht aus. Denn eine andere Erklärung, warum er als niedersächsischer Privatmann einen ungewöhnlich günstigen Kredit bei einem baden-württembergischen Geldinstitut bekommen hat, haben die Bank und er bisher nicht geliefert.

Egal, was Wulff zu seiner Verteidigung noch anzubieten hat - nach seinen bisherigen Lügen wird es ihm schwerfallen, noch Glauben zu finden. Er hat sein politisches Kapital verspielt - und dieser Verlust an Vertrauen bietet keine Grundlage für ein Verbleiben im Amt.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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20 Kommentare

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  • RM
    Reinhard Moysich

    Wulff missachtet Bundesverfassungsgericht und Menschenrechte.

     

    Zu den vielen bisher schon bekannten schwerwiegenden Fehlern von Wulff kommen noch weitere hinzu, die ich als noch gravierender ansehe:

     

    Schon am 14.12.1965 hat das Bundesverfassungsgericht die Richtlinie verfügt, dass Deutschland weltanschauungsneutral sein muss, da nur dann Deutschland eine "Heimstatt" für sämtliche seiner Bürgerinnen und Bürger sein kann – egal, welche von den ca. 4000 gleichberechtigten nichtreligiösen und religiösen Weltanschauungen sie haben.

     

    Wulff jedoch hat schon als Ministerpräsident diese Weisung massiv missachtet:

    Als seine neue designierte Ministerin Özkan verlauten ließ, "Christliche Symbole gehören nicht an staatliche Schulen", erklärte Wulff - nicht Özkan! - kurz darauf genau das Gegenteil, nämlich dass sie sich sogar Kreuze an Schulen wünscht! Es ist völlig unglaubwürdig (hier sollten Journalisten nachhaken!!), dass die Juristin Özkan ihre ursprüngliche völlig grundgesetz- und menschenrechtskonforme Überzeugung in wenigen Stunden gänzlich geändert hatte. Daher nehme ich an, dass Wulff bewusst die Unwahrheit gesagt hatte. Und Frau Özkan hatte sich leider (wohl wegen mangelndem Selbstvertrauen) nicht getraut, Wulff zu widersprechen - dann hätte es bald darauf keinen Bundespräsidenten Wulff gegeben!

     

    Und als (nach mysteriösen Wahlgängen) frisch gewählter Bundespräsident schloss Wulff seine Antrittsrede mit: "Gott schütze unser Land!"

    Indem der selbst ernannte "Brückenbauer" Wulff sich offen zu dem Lager der Gottesgläubigen bekannte, hat er deren Position kraft seines Amtes massiv gestärkt und somit die sowieso schon sehr beschädigte Brücke zwischen Gottes- und Nicht-Gottesgläubigen noch mehr zerstört!

    Da im Grundgesetz steht, "Es besteht keine Staatskirche", ist Glaube generell Privatsache. Ein Bundespräsident hat grundsätzlich die Aufgabe, in jeder Angelegenheit nicht parteilich zu sein; dies bedeutet im Weltanschauungsbereich, strikt darauf zu achten, dass keinerlei Bevorzugung oder Benachteiligung irgendeiner Weltanschauung passiert - erst recht nicht von einer staatlichen Organisation!

     

    Ich hoffe nun sehr, dass Wulff endlich zurücktritt - sonst sollte versucht werden, über ein Amtsenthebungsverfahren seinen Rücktritt zu erzwingen.

     

    Deutschland hat es verdient - und wegen seiner sehr multiweltanschaulichen Gesellschaft dringend nötig! -, dass nun endlich jemand an der Spitze des Staates steht, welcher die Kompetenz hat, dass Deutschland so weit wie irgend möglich eine wirkliche "Heimstatt" für alle werden kann, egal welche nichtreligiöse oder religiöse Weltanschauung sie haben!

  • H
    Hasso

    Geht zur BW-Bank und holt euer Geld ab, was dazu benutzt wird, Schicki-Mickis zu unterstützen.Diese Fratzen gehen heute nur noch in die Politik um sich zu bereichern, nicht mehr zum Wohle des Volkes, nein zum Selbstwohl.

  • A
    annamirl

    Rücktritt sofort. Allerdings gefälligst ohne die Vorzüge eines Ex-Bundespräsidenten, schließlich begleitet Wulff die strafbare Vorteilsnahme auf seinem Wege durch die Seilschaften.

  • S
    Sokrates

    Das Thema Wulff ist zum Selbstläufer geworden.

    Wir können an diesem Fall die Veränderungen in unserer Demokratie fest machen.

    1. Wulff hat Fehler zum Teil gravierende Fehler gemacht. Sie reichen aber nicht zum Rücktritt.

    2. Die Medien,in Sonderheit ein führendes Boulevard-Blatt, haben zu viel Macht angehäuft. Wenn schon BP-ten besonderes Verhältnisse zu "Bild" pflegen müssen, dann ist hier etwas schief gelaufen.

    Ich bin kein Wulff-Fan und auch kein Konservativer.

  • N
    naseweiser

    ... der feuchte Daumen in der Luft signalisiert :

    das Fass mit den Wulff-Wahrheiten ist übergelaufen . Wenn CDUCSUSPDFDP unser "Staatsoberhaupt" jetzt noch hochhalten wollen , bekleckern die sich zu arg selber. Zu hoch gedacht ? Wir werden sehen ...

  • HU
    halü unlußt

    Der Worte sind genug gewechselt,lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.Treten Sie endlich zurück Herr Präsident,es ist nur noch peinlich.

  • M
    Maik

    Da ist ein Lügenbold im höchsten Staatsamt(Oh, ermittelt nun der Staatsschutz?). Der Kredit ist das Eine, was aber ist mit den diversen Einladungen und Urlauben "durch Freunderl"? Jeder kleine Beamte oder Angestellte im Öffentlichen Dienst hätte wegen viel geringerem Probleme. Meist müssen Altenpflegerinnen unterschreiben, dass sie keine "Spenden" annehmen dürfen. Wenn doch = Kündigungsgrund. Da reichen 5,-€! Und wegen der Type im Palais mit seiner vergangenheitsumwobenen Präsidentengattin sind die Bürger schuld am verschluderten Ansehen des "Amtes"? Bettina Gaus, die an dieser Stelle vor Kurzem schrieb, für "die oben" wäre Vorteilsnahme eben normal und sie sähen dies als "ihr ihnen zustehendes Recht" hat recht.

    Bleibt zu erwähnen, dass die Medien die Verkommenheit im Staate mit ihrer Hofberichterstattung (sei es über eine erwünschte Partei, Personen wie z.B. Guttenberg oder verschleiernde Darstellung unpassender Wahrheiten) unterstützen.

  • R
    reblek

    "Aber daran sind nun wirklich nicht die Medien schuld, sondern der Präsident selbst." - Na, immerhin ein Majestätsplural für Wulff: "der Präsident sind schuld".

  • KK
    keine Kellnerin

    @ deviant:

    Ich kellnere nicht für Madame A. Merkel; mir reicht die Frau und ihr Hofschranz/innen-Staat.

    Erst FDJ und dann CDU. Eine 'dolle' Metarmorphose hat die Dame A. Merkel da hingelegt.

  • V
    vic

    Dieses Land ist verfault, und es begann am Kopf.

  • T
    Troll

    Im kleinen Finger von Herrn Dr. Wulff findet man mehr Anstand als in zehn eurer kommunistischen Hetzblätter! Denkt da vielleicht mal drüber nach, bevor ihr eure nächtste Neidattacke aus euren unaufgeräumten Kreuzberger Kellerwohnungen auf unsere Leistungsträger losläßt!

     

    ps: "brot". Pfff, Brot. Ich will Brückenzoll. Wer an meinem Post vorbei will, muß mir erst eine Golddublone geben.

  • FS
    Franz Schuhwerk

    Rechtliche Fragen, Probleme der Glaubwürdigkeit und weiteres sind in der causa Wulff inzwischen völlig egal. Er muss wegen erwiesener Strunz-Dummheit zurücktreten. Mein Gott, so blöde darf nicht einmal der Pförtner des Buundespräsidialamtes sein...

  • P
    Phil

    Juhuu, ein weiterer Treffer im Headline-Bingo mit dieser unglaublich kreativen Schlagzeile, auf die NATÜRLICH noch kein Anderer gekommen ist*.

     

    *

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,803517,00.html

    http://www.zeit.de/2011/51/01-Wulff

    http://www.abendblatt.de/hamburg/article2128773/Kredit-verspielt.html

    http://www.tagesschau.de/inland/dossierwulff100.html

     

    Sagt mal, wer schreibt bei den Zeitungen eigentlich von wem ab?

  • P
    polyphem.os

    Lesen Sie doch bitte mal das komplette Interview in CWs Heimat-Jubelblatt. Lammert kritisiert zwischen den Zeilen mehr den Bundespräsidenten als die Presse.

    Lesen Sie auch die "Homestory", die Frau Beate Tenfelde mit der Bundes-Betty produziert hat, und informieren Sie sich mal, aus welchem Umfeld die Berlin-Korrespondentin der NOZ, eben diese Frau Beate Tenfelde, stammt.

  • M
    Marvin

    Trotz alledem, vergessen wir nicht:

     

    - Dass Wulff, den kaum jemand wollte, auch kaum jemand unter den Mitgliedern der Bundesversammlung, gewählt worden ist, ist ein noch größerer Skandal. Die Tatsache, dass das Amt zum Abschiebe-Posten für nicht ganz so liebsame mögliche Konkurrenten der Bundeskanzlerin deklariert wurde, hat ihm sicherlich auch keinen öfftenlichen Respektschub gegeben, dem gottverdammten hochehrwürdigen Amt.

     

    - Dass Politiker*innen immer wegen solcher Geschichten gehen müssen, sich aber bei Angriffskriegen (Fischer, Schröder) oder groben verbalen Ausrastern (Westerwelle, Sarrazin) in der Regel halten können, ist auch nicht hundertprozentig skandalfrei.

  • TB
    Thomas B.

    So schön auch die Vorstellung wäre - ich glaube nicht, dass Wulff sein Amt niederlegen wird.

     

    Dafür sorgt wohl zum einen, dass die meisten Parteien ungwöhnlich zurückhaltend mit der Kritik gegenüber Wulff ist und zum anderen, dass unsere Gesellschaft nicht gerade konsequent mit solchen Themen umgeht.

     

    Wie sonst, ist es zu erklären, dass laut diversen Umfragen die meisten gegen einen Rücktritt Wulffs sind oder sich unbedingt Herrn Zu-Gutenberg wieder in die Politik wünschen, obwohl er bis heute (!) darauf besteht, dass er nicht abgekupfert haben soll.

  • A
    Arnie

    Diesem Bundespräsidenten fehlen leider alle Voraussetzungen die ein Amtsinhaber haben muß. Das wird auch selbst wissen. Er wird jedoch bis zum bitteren Ende versuchen zu Vertuschen und Verschleiern.

    Frau Dr. Merkel könnte ihn vom unwürdigen Spießrutenlaufen erlösen, müßte allerdings eingestehen dass diese Personalie Wulff ihre eigene Fehlentscheidung war. Mein Präsident ist dieser Mann nicht mehr.

  • K
    karo

    Was für eine verkommene Politsuppe. Der Gedanke, der mir beim Verfolgen der Berichte in den Medien kommt, ist einfach nur: sie können den Hals nicht voll genug kriegen. Und dann Merkels Rede "ans Volk", dass die Finanzkrise das wichtigste derzeitige Problem sei. In meinen Augen ist das wichtigste nicht angegegangene ungelöste Problem dieser Gesellschaft die soziale Ungerechtigkeit und die fehlende Moral unserer Politiker einschließlich unseres Staatsoberhauptes.

  • AH
    Andreas Hoffmann

    Gerade Politiker, aber nicht nur sie, haben eine Verantwortung für redliches Handeln im Rahmen der Gesetze und gegenüber dem Anspruch der Menschen auf Gleichbehandlung. Rechtschaffenheit zeigt sich u.a. im Eingesthen von Fahlern und den nötigen Konsequenzen. Sonst wird Politikverdrossenheit immer größeren Raum bekommen: der aber ist kein Freibrief für Fehlverhalten und Amoralität.

  • D
    deviant

    Das ändert doch nichts daran, dass der SPD und Merkels CDU das Amt völlig egal sind und alles daran setzen, diese Witzfigur in ihrem Amt zu halten...für Merkel wär's die politische Bankrotterklärung und der SPD ist ein Wulff mit einem bitteren Beigeschmack von Betrug und Korruption, den niemand mehr respektiert, wichtiger, als die Feststellung, dass Merkel das zweite Mal in Folge beim Bundespräsidenten voll ins Klo gegriffen hat, schließlich will man 2013 wieder für sie kellnern...ein bisschen Anbiedern beim VolksWulff mit dem Porschekredit kann da nur hilfreich sein.