Kommentar Witten-Herdecke: Privatuni ohne privates Geld
Große Worte, nichts dahinter: Die Wirtschaft, die gerne über überbürokratisierte Hochschulen herzieht, blamiert sich bei der Finanzierung der Privatunis.
A lfred Herrhausen sagte einst zu den Gründern der anthroposophischen Universität: "Holen Sie mir die Anerkennung, ich bringe ihnen eine Million". Von diesem Schlag hat sich die heutige Universität Witten-Herdecke nie erholt.
Christian Füller ist Bildungsredakteur der taz.
Die Million kam zwar. Aber sie kam spät, und nicht einmal der Chef der Deutschen Bank war in der Lage, das Versprechen der Wirtschaft einzuhalten. Sollte die Uni Witten eingehen, so gibt es dafür Hauptschuldige: Es sind die, pardon, Großsprecher der Industrie. Sie ziehen über überbürokratisierte Hochschulen her - sind aber nie bereit, substanzielle Beiträge für Privatunis bereitzustellen.
Leichen pflastern ihren Weg. Selbst das einzige gelungene Beispiel ist in Wahrheit eine Riesenblamage für die Industrie. Die European School of Management and Technology (ESMT) hat sechs Jahre nach Gründung ganze 94 Studenten und ein Stiftungsvermögen von etwa 60 Millionen Euro. Das ist kein Pappenstiel. Aber wir rufen in Erinnerung, wer die ESMT einst zum "Harvard an der Spree" erklärt hatte: Es waren die - O-Ton ESMT - "25 leading German companies and institutions with the aim of establishing an international management School with a distinctly European focus", von A wie Allianz bis T wie ThyssenKrupp.
Private Unis sind wichtig. Nicht um Profit zu erwirtschaften, sondern als Motivator für die staatlichen Tanker. Was aus Witten an Anstößen kam, vom Studium fundamentale über das Studiengebührenmodell bis hin zur alternativen Medizinausbildung, oder was die Zeppelin-Universität an Anstößen einbringt, ist wertvoll, ja unverzichtbar. Da mag mancher AStA-Fritze auch die Nase rümpfen über staatliches Geld für die private Uni: Ein Zuschussanteil von 17 Prozent ist kein Sündenfall, sondern sinnvoll angelegtes Geld.
An der Ermordung der einzigen privaten Uni von Rang beteiligt sich nun auch die staatliche Seite. NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart hat die neuerliche Krise der Hochschule ausgelöst, indem er ihr die Staatsknete für 2008 entzog. Pinkwart ist von der FDP und predigt gern privates Engagement. Frohe Weihnachten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!