Kommentar Wirtschaftskrise: Autos kaufen keine Autos
Die Ungerechtigkeiten der Globalisierung werden sich in der Rezession verschärfen. Aber in dieser Krise steckt auch eine sozialpolitische Chance.
Ulrike Herrmann ist finanzpolitische Korrespondentin der taz.
Diese Rezession ist total, und sie ist global. Im Wochentakt werden die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Zum ersten Mal seit 1945 wird die Weltwirtschaft insgesamt schrumpfen - und nicht nur in einzelnen Ländern oder Regionen. Gleichzeitig aber wächst die Weltbevölkerung weiter. Die Konsequenzen hat die International Labour Organization schon ausgerechnet: Durch diese Krise wird der Kampf gegen die Armut um mindestens zehn Jahre zurückgeworfen.
Die Globalisierung war schon im Boom ungerecht, und die Ungerechtigkeiten werden sich in der Rezession nochmals verschärfen: Die Begüterten verlieren zwar auch Teile ihres Vermögens - aber viele Arme verlieren alles. Wie in jeder Krise sind die Entwicklungsländer am härtestens getroffen, doch auch in Europa setzt nun die Massenarbeitslosigkeit ein. Dabei ist in vielen Staaten zu beobachten, dass es zu einem Kampf innerhalb der Unterschichten kommt.
Die Fronten sind immer dieselben: Einheimische gegen Immigranten. Briten fordern "britische Jobs für britische Arbeiter", und in Spanien gehen die Zugewanderten leer aus, weil nun die arbeitslosen Einheimischen wieder Interesse an den harten Erntejobs haben. Viele Immigranten haben schon die Konsequenzen gezogen und sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Aus Irland ziehen die Osteuropäer ab, aus Dubai die Afrikaner. Auf die Globalisierung, so zeigt sich, kann eine Renationalisierung folgen.
Aber in dieser Krise steckt auch eine sozialpolitische Chance. Gerade weil die Rezession so global ist, funktioniert die alte Masche nicht mehr, einfach nur auf den Export zu setzen, um die Überkapazitäten in den Fabriken auszulasten. Welches Land sollte den Kram denn importieren, wenn überall das Geld knapp ist?
Wer die Krise überwinden will, muss die Massenkaufkraft zu Hause stärken. Die Kapitalbesitzer werden zu einem neuen Deal gezwungen: Wenn ihre Investitionen nicht entwertet werden sollen, dann müssen sie zulassen, dass die Geringverdiener entlastet und die Arbeitslosen bessergestellt werden. Autos kaufen nun mal keine Autos. Dieser Satz ist uralt und trotzdem wahr.
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