Kommentar Wirtschaftskrise: Den Wohlstand neu verteilen
Die Pleite von Escada zeigt: Die Wirtschaftskrise ist noch lange nicht vorbei. Wenn etwa nicht mehr genug Vollzeitarbeitsplätze für alle entstehen, könnten dann nicht alle weniger arbeiten?
Die Insolvenz des Luxusbekleidungskonzerns Escada dürfte wenige Auswirkungen auf den Alltag des Durchschnittsverbrauchers haben. Auch für die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts in diesen Krisenzeiten hat die Frage, wie viele Designerkleider hergestellt werden, eher marginalen Wert. Dennoch zeigt die Pleite von Escada: Die Wirtschaftskrise ist noch lange nicht vorbei.
Denn Escada reiht sich ein in eine Reihe von Insolvenzen, die weniger spektakulär als im Falle von Karstadt oder einer immer noch möglichen Opel-Insolvenz sein mögen, die aber tausende von Arbeitsplätzen vernichten. Und die kommen so schnell nicht mehr wieder. Daran ändern auch die für den heutigen Donnerstag erwarteten aktuellen BIP-Zahlen nichts. Selbst wenn die Wirtschaft nur noch ein wenig schrumpft - von einem Wachstum, das neue Arbeitsplätze schafft, sind wir noch weit entfernt. Natürlich könnte die Politik gegensteuern. Ein neues, ökologisch ausgerichtetes Konjunkturprogramm kann schnelleres und beständigeres Wachstum erzeugen als jede Abwrackprämie.
Stephan Kosch ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Doch das Grundproblem löst auch ein solcher Green Deal nicht: In einer gesättigten Volkswirtschaft wird es immer schwerer, Wachstumsraten zu erzielen, die nachhaltigen Effekt auf den Arbeitsmarkt haben. Eine Volkswirtschaft, die auf ewiges materielles Wachstum ausgerichtet ist, kann langfristig kein politisches Ziel sein. Die Ressourcen dieses Planeten sind endlich, bereits jetzt leben vor allem die Industriegesellschaften weit über ihre Verhältnisse. Die Debatten über den Klimawandel und seine Kosten sind nur die Vorboten der kommenden Verteilungskämpfe.
Es gilt also, diesen zu begegnen und den nach wie vor vorhandenen Wohlstand im weitesten Sinne neu zu verteilen. Wenn etwa nicht mehr genug Vollzeitarbeitsplätze für alle entstehen, könnten dann nicht alle weniger arbeiten? Die Einnahmeausfälle könnten über eine staatliche Grundversorgung ausgeglichen werden. Das alles stellt die heutigen sozialen Sicherungssysteme komplett infrage. Das ist unbequem. Die Suche nach neuen Antworten kann aber auch mehr Lebensqualität jenseits des klassischen Wachstumsdenkens bringen.
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