Kommentar Wilders Wahlsieg: Populisten im Höhenrausch
Der Wahlsieg der PVV in den Niederlanden ist besorgniserregend: Doch Für eine landesweite Beteiligung fehlt ihr schlicht das Personal.
Bereit zum Abflug - so präsentierte sich der strahlende Wahlsieger Geert Wilders Mittwochnacht in seiner Hochburg, der Stadt Almere. Seine Freiheitspartei wurde dort zur stärksten Gruppierung, in Den Haag lag sie nur knapp hinter der sozialdemokratischen Arbeitspartei (PvdA) auf dem zweiten Platz: Kein Wunder, dass man sich im Höhenrausch schon euphorisch mit den im Juni anstehenden Neuwahlen beschäftigte.
Viele der internationalen Medienvertreter dürfte es gegruselt haben, als der Triumphator ankündigte: "Heute Almere und Den Haag, morgen die ganzen Niederlande." Was sollte die Partij voor de Vrijheid (PVV) jetzt noch aufhalten, auch in der Zweiten Kammer zur größten Partei zu werden?
In der Tat ist der Aufmarsch der PVV besorgniserregend: Durchbruch mit 6 Prozent bei den Parlamentswahlen 2006, Sprung auf 17 Prozent bei den Europawahlen 2009, nun der fulminante Einzug in die Stadtparlamente in Almere und Den Haag. Dazu kommen stabile Umfragewerte in ähnlicher Größenordnung. In Almere gewann die Partei nach der Europawahl bereits zum zweiten Mal in Folge. Ihre Wähler handeln aus Überzeugung. Den Schwankungen einer Protestpartei unterliegt die PVV längst nicht mehr.
Die Geschichte vom unaufhaltsamen Aufstieg stimmt aber nicht ganz: Zum einen, weil der Sieg in Almere knapper ausfiel, als es zuvor den Anschein hatte - die prognostizierten 30 Prozent wurden deutlich unterschritten. Zum anderen bieten die Kommunen Den Haag und Almere, wo die PVV ohnehin stark ist, eine zu schmale Basis für eine zuverlässige Hochrechnung.
Zu bedenken ist weiterhin, dass der äußerst pointierte Auftritt an zwei Orten nicht nur strategische und PR-Gründe hatte: Für eine landesweite Beteiligung fehlt der PVV schlicht das Personal. Auch die Spitzenkandidaten in Almere und Den Haag gehören zur Fraktion der Partei in der Zweiten Kammer des nationalen Parlaments.
Selbst wenn sich die Umfragen bestätigen sollten, die ihr für Juni 24 von 150 Parlamentssitzen vorhersagen, weiß niemand, woher eine Partei ohne lokale und regionale Strukturen die zusätzlichen Abgeordneten rekrutieren soll. Und auf enthusiastische Koalitionspartner wird die PVV schon gar nicht treffen. Diese aber benötigt sie, denn die zerfurchte niederländische Parteienlandschaft zieht selbst ihr Grenzen.
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