Kommentar Wikileaks: Blick unter die Bettdecke
Ob die jüngsten Wikileaks-Veröffentlichungen der US-Politik schaden, wird sich erst noch zeigen. Vor allem die Presse profitiert von den auflagenstarken Exklusivnews.
V errat im Dienste der aufgeklärten Öffentlichkeit: Heute werden wir wissen, für wie dämlich die US-Administration Guido Westerwelle hält, was dort für eine Meinung über die politischen Akteure im Nahen Osten vorherrscht und welche Einschätzung Washington über moldawische Innenpolitiker hat. Ob diese Informationen zu mehr taugen als zu einem Blick unter die diplomatische Bettdecke, werden wir sehen. Schon vor der Veröffentlichung war aber klar, dass mit der Enthüllung der Diplomatenpost ein politisches Erdbeben zum Nachteil der USA verbunden ist.
In jedem Fall aber erzielt Wikileaks einen weiteren Bedeutungsgewinn. Dabei wird gerne übersehen, dass Wikileaks selbst am wenigsten von den Informationen profitiert. Die eigentlichen Nutznießer sind die klassischen Medien wie New York Times, Guardian und Spiegel. Wikileaks hat erkannt, dass es dem interessierten Zeitgenossen wenig hilft, wenn er oder sie mehrere hunderttausend Dokumente vorgesetzt bekommt. Erst die Auswahl und Aufbereitung der Papiere macht diese auch lesbar. Erst die Arbeit von Journalisten macht damit auch den Erfolg von Wikileaks aus. So viel zum angeblichen Bedeutungsverlust der Presse im Zeitalter des Internets.
Diese Arbeitsteilung ist praktisch. Wikileaks erledigt die Schmutzarbeit, große Magazine erhalten auflagenstarke Exklusivnachrichten, die Leser klopfen sich auf die Schenkel, und die USA stehen dumm da. Ob das aber eine auf Dauer tragfähige Kooperation ist, muss sich noch herausstellen. Wer weiß schon noch, worum es in der vorletzten Wikileaks-Enthüllung ging? Damit könnte das Enthüllungsportal bald dort ankommen, wo schon viele vermeintlich weltbewegende Geschichten gelagert sind: in den unendlichen Weiten des Archivs.
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