Kommentar Weltkonjunktur: Gegen das Einlullen
Die globalisierte Wirtschaft ist unkontrollierbar geworden, die Krise wird alle treffen und lange dauern. Der Weltkonjunktur ist mit Maßnahmepaketchen nicht geholfen.
M an kann es offenbar nicht oft genug sagen, denn auch die jüngste IWF-Warnung dürfte die Öffentlichkeit wieder nur kurz aufgerüttelt haben: Die Welt steht vor einer Rezession, einige Länder wie Großbritannien und die Schweiz sind schon mittendrin. Niemand wird sich den Folgen der Wirtschaftskrise entziehen können - auch hierzulande nicht.
Weil der Abschwung weltweit ist und längst auch Schwellenländer wie China, Russland und vor allem Brasilien massiv bremst, ist damit zu rechnen, dass er lange dauert. Das heißt: Jahre. Jahre, in denen den Unternehmen erst der Auto-, der Chemie- und der Stahlindustrie, später auch denen im Bau-, Handels- und Dienstleistungsbereich die Gewinne einbrechen. Sie werden ihre Produktion zurückfahren, werden Sparprogramme auflegen und sie werden Leute entlassen. Oder pleite gehen.
Es wird Zeit, das ernst zu nehmen. Denn wer kann noch wirklich glauben, es gebe nur eine vorübergehende "Konjunkturdelle"? Das Problem bleibe irgendwie auf die USA und Problemländer wie Ungarn, Pakistan, die Ukraine beschränkt?
Wir leben in einer globalisierten Welt: Die Unternehmen der vier wichtigsten deutschen Börsenindizes erwirtschaften heute zwei Drittel ihrer Umsätze im Ausland, doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren. Zugleich heißt globalisiert nichts anderes als liberalisiert. Die Märkte gelten als "befreit", Geld- und Gütertransaktionen quer über den Globus sind einfach und in weiten Teilen unreguliert. Heute bedeutet das: Sie sind unkontrollierbar.
Dass in einer solchen Welt auch Krisen global werden, zumal, wenn sie mit den Finanzmärkten direkt das Herz des Systems treffen, wissen Ökonomen und Politiker. Keiner von ihnen kann ernsthaft glauben, mit nationalen Maßnahmepaketchen, die ihre Lieblingsbranchen zum Investieren anreizen sollen, sei die abstürzende Weltkonjunktur zu retten. Aber sind eben sie nicht auch diejenigen, die ungerührt behaupten, die Wirtschaft in Deutschland werde im kommenden Jahr noch zulegen? Von einer solchen Politik ist im Kampf gegen die Krise nichts zu erwarten. Das muss der Öffentlichkeit, die sich nur allzu gern einlullen ließe, klar sein.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!