Kommentar Wehrpflicht: Mythos oder Dienstleister
Die Wehrpflicht wird erneut diskutiert. Doch ohne die Dienstpflicht wäre der Mythos vom Bürger in Uniform vollends dahin.
Eine Interventionsarmee kann selbstverständlich ebenso gut, wenn nicht viel besser ohne Wehrpflichtige funktionieren. Kaum ausgebildete, kurz dienende Rekruten kosten nur Geld und binden personelle Ressourcen. Kaum verständlich also, so scheint es auf den ersten Blick, warum die Union und Teile der SPD so stur auf der Wehrpflicht bestehen.
Doch ganz so irrational wie von ihren Gegnern zuweilen unterstellt ist die Wehrpflicht auch aus Sicht einer politischen Führung nicht, die hinter der Politik militärischer Interventionen steht. Denn ohne die Dienstpflicht wäre der Mythos vom Bürger in Uniform vollends dahin. Dieser Mythos ist in Deutschland immer noch nötig, um den Streitkräften den Status einer einigermaßen respektierten Institution zu verleihen. Ohne die Wehrpflicht würde die Bundeswehr zur Bundesanstalt für globale Gewaltdienstleistungen.
Einher mit dem gesellschaftlichen Abstieg ginge ein Abfall des sozialen Niveaus. Längst zieht die Bundeswehr vor allem jene an, die verzweifelt nach einer beruflichen Perspektive suchen. Innerhalb der Bundeswehr wird die Wehrpflicht deshalb schon jetzt vor allem in ihrer Funktion als Schnupperpraktikum für Abiturienten geschätzt. Mit Schrecken schaut man in die USA, wo sich die Streitkräfte zu einem Auffangbecken für sozial Schwache entwickelt haben.
An diesem Punkt sind die hiesigen Gegner der Wehrpflicht wenig aufrichtig: Grüne und FDP müssen sich die Frage gefallen lassen, ob die Forderung nach Ende der Dienstpflicht bloß für eine Entlastung der eigenen, sozial privilegierten Wählerschichten sorgen soll. Wer ehrlich die Abschaffung der Wehrpflicht will, der muss zunächst eine offene Debatte über die Zukunft der Bundeswehr führen - und über den Einsatz in Afghanistan.
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