Kommentar Wahlkampf in Hessen: Lohn der Angst
Seit Roland Kochs Kampagne zur Jugendkriminalität konkurrieren in Hessens Wahlkampf zwei Sicherheitskonzepte. Schließlich kämpft die SPD für eine matierelle Basissicherung. Die orientiert sich aber wenigstens an realen Ängsten.
E rst sah es ganz so aus, als habe Roland Koch mit seiner Medienoffensive gegen "jugendliche ausländische Straftäter" den Wahlkampf in Hessen doch noch zu seinen Gunsten gedreht. Die Videoaufnahmen von dem brutalen Angriff auf einen wehrlosen Rentner in München versprachen eine reiche Ernte politisch nutzbarer Angstproduktion. Und dann noch die Beleidigungen, die die Jugendlichen gegen die Deutschen, ihre "Gastgeber" ausgestoßen hätten. Da mussten schärfere Sanktionen her!
Im hessischen Wahlkampf standen sich damit zwei diametral entgegengesetzte Konzepte von Sicherheit gegenüber: Einerseits Sicherheit kraft materieller Basissicherung, wie sie die SPD mit der Forderung des Mindestlohns verficht. Dieses Konzept antwortet auf konkrete Ängste der Lebenssicherung, der Bewältigung des Alltags angesichts von Stundenlöhnen unter 5 Euro. Andererseits die Sicherheitsoffensive Kochs. Sie schürt eine abstrakte Bedrohungsangst, die nicht greifbar, aber allgegenwärtig von den Verängstigten Besitz ergreift. Sie kulminiert in der Vorstellung, hilflos dem Angriff des Bösen ausgesetzt zu sein. Der Mindestlohn hat mit realen Verhältnissen und realen Opfern zu tun, die Kochsche Angstproduktion wendet sich an alle potenziellen Opfer und verspricht, die potenziellen Angreifer unschädlich zu machen.
So clever die Kochsche Strategie eingefädelt ist, ihr Erfolg bei den Wahlen scheint ungewiss. Der Justizapparat, die Polizei, die Gefängnisverwaltungen, die kriminologischen Experten - alle verurteilen die CDU-Kampagne als neben der Sache liegend, als schädlich, ja als unverantwortlich. Zu den jugendlichen Straftätern wird dargelegt, es handele sich nicht um ein Problem von In- oder Ausländern, sondern um eines der Zugehörigkeit zu den ärmsten Schichten. Hier, bei der Ausbildung und der Prävention, hätte die Ursachenbekämpfung bei der Jugendkriminalität anzusetzen. Diese Sicht scheint sich zum Glück bei der SPD durchzusetzen. In diesem Bereich die Bedürfnisse der Unterschichten aufzugreifen, würde sich zudem der zentralen Forderung nach dem von der Mehrheit unterstützten Mindestlohn problemlos einfügen.
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