Kommentar Wahlergebnisse: Bärenfell und Kaffeesatz
Nach den Landtagswahlen steht nur fest, dass gar nichts feststeht. Trotz aller Überlegungen könnte am Ende im Bund wieder die große Koalition winken, was Merkel wohl gelegen kommt.
Landtagswahlen sind kein anderer Ausdruck für bundesweite Meinungsumfragen. Dem thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus ist der Versuch nicht gut bekommen, seinen Skiunfall im Wahlkampf zu vermarkten. Im Saarland hat Oskar Lafontaine der Linken in den Sattel geholfen. Die sächsische SPD hatte 2004 ein miserables Ergebnis - substanzielle Verluste waren da kaum noch möglich. All diese regionalen Besonderheiten ändern nichts daran, dass Angela Merkel populärer ist als Frank-Walter Steinmeier und dass sie vermutlich vor laufenden Kameras einen Supermarkt ausrauben müsste, um nicht im Amt bestätigt zu werden.
Eine spektakuläre Trendwende kündigt sich nur selten durch Landtagswahlen an. Je kühner jetzt die Interpretation der Ergebnisse ist, desto näher liegt sie beim Kaffeesatz. Was allerdings nicht bedeutet, dass die Wahlen überhaupt nichts über die allgemeine Stimmung aussagen. Fest steht immerhin: Die FDP hatte einen schönen Sonntag. Dennoch sehnt offenkundig nicht ganz Deutschland verzweifelt eine Machtübernahme des so genannten bürgerlichen Lagers von Union und FDP herbei. Wenn man denn diesen albernen Kampfbegriff übernehmen möchte, der unterstellt, Grüne und SPD seien nicht inzwischen ebenfalls zutiefst bürgerliche Parteien. (Was sollen sie denn sonst sein?) Es ist nach wie vor möglich, dass Guido Westerwelle ein weiteres Mal der Bär samt sicher geglaubtem Fell davonläuft, bevor er ihn erlegen kann.
Fest steht nur, dass gar nichts feststeht. Sollten die Grünen im Bund ein bisschen zulegen und die FDP ein wenig verlieren, dann rückt in Berlin Schwarz-Grün in den Bereich des - rechnerisch - Möglichen. Ohnehin grundsätzlich angelegt ist in einem Fünfparteiensystem, dass es am Ende allen feinsinnigen Überlegungen zum Trotz doch nur für eine Neuauflage der großen Koalition reichen kann. Für diese Erkenntnis bedarf es gar keiner Landtagswahlen.
Die Ironie besteht darin, dass der Kanzlerin vermutlich nichts anderes vergleichbar gelegen käme. Wer sich so sehr um ein überparteiliches Image bemüht wie Angela Merkel, der kann nichts Besseres passieren, als vier weitere Jahre ohne eine Opposition zu regieren, die ihr lästig zu werden droht. Für die SPD hingegen könnte eine weitere Beteiligung an der Regierung den Abstieg in die Liga der Funktionsparteien bedeuten. So etwas nennt man Pyrrhussieg.
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