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Kommentar Wahlen in ZentralamerikaDer gescheiterte Aufbruch

Toni Keppeler
Kommentar von Toni Keppeler

Die Linkswende in Zentralamerika ist schon wieder am Ende. Dass sie so schnell an Bedeutung verlor, hat die Linke größtenteils sich selbst zuzuschreiben.

E s ist noch keine drei Jahre her, da wurden die einstigen Bürgerkriegsländer Zentralamerikas links oder sozialdemokratisch regiert. Ein heißer Schauplatz des Kalten Kriegs folgte nicht mehr den USA, sondern orientierte sich an der Linkswende Südamerikas.

Das ist Vergangenheit. Zuerst wurde der Aufbruch in Honduras beim Putsch im Juni 2009 erstickt. In El Salvador hat sich Präsident Mauricio Funes, gewählt als Hoffnungsträger auf dem Ticket der ehemaligen Guerilla der FMLN, als Freund des Finanzkapitals entpuppt.

In Nicaragua wurde bei der Wahl vom Sonntag mit Daniel Ortega zwar ein nominell Linker im Präsidentenamt bestätigt. Doch der Sandinist ist schon lange kein Mann des Aufbruchs mehr. Als selbstherrlicher Machtpolitiker führt er das Land zurück in eine Vergangenheit, in der es wie eine Familien-Finca regiert wurde.

Bild: Yvonne Berardi
Toni Keppeler

ist taz-Korrespondent und berichtet aus Mittelamerika.

In Guatemala ist mit Álvaro Colom der erste Sozialdemokrat im Präsidentenamt seit dem Militärputsch von 1954 an seiner eigenen Zögerlichkeit gescheitert und an der Eitelkeit seiner Frau. Er traute sich nicht, sein wichtigestes Wahlkampfversprechen – eine Steuerreform – in die Tat umzusetzen.

Hätte er die wenigen superreichen Familien des Landes zur Kasse gebeten, hätte er die Mittel gehabt, um die drängendsten Probleme anzugehen: Armut und Kriminalität. Statt dessen widmete er sich dem sinnlosen Unterfangen, seine Frau Sandra Torres als Nachfolgerin zu promovieren. Die Verfassung Guatemalas verbietet die Wahl eines nahen Verwandten des Präsidenten und so stand die gemäßigte Linke am Ende ohne Kandidat/in da. Das Volk hatte in der Stichwahl zwischen rechts und rechts zu entscheiden.

Ausgerechnet ein General mit dunkler Vergangenheit im Bürgerkrieg hat gewonnen – das deutlichste Zeichen für den gescheiterten Aufbruch der Linken in Zentralamerika. Dass sie so schnell an Bedeutung verlor, hat sie - mit der Ausnahme von Honduras – sich selbst zuzuschreiben.

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Toni Keppeler
Auslandskorrespondent Mittelamerika
1956 im Hohenlohischen geboren. Hat beim Schwäbischen Tagblatt in Tübingen Journalismus gelernt und dort als Redakteur fast zehn Jahre lang ausgeübt. Danach war er vier Jahre Journalismusprofessor an der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador, acht Jahre Korrespondent für Mittelamerika und die Karibik für taz (Berlin) und Weltwoche (Zürich) und vier Jahre Auslandsredakteur beim Schweizer Nachrichtenmagazin Facts. Von 2006 bis 2009 bei der Reportage-Agentur Zeitenspiegel, zuletzt als Mitglied der Geschäftsführung. Er ist Dozent an der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl in Reutlingen und der Burda Journalistenschule in Offenburg. 1987 wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. 2010 Mitgründer von latinomedia - Büro für Journalismus. Er betreut seither das latinomedia-Büro Tübingen und pendelt zwischen Deutschland und Lateinamerika.
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6 Kommentare

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  • G
    Guatebuena

    Die Kritik an Colom, er habe zu zögerlich regiert, ist zwar einerseits berechtigt. Andererseits sollte aber erwähnt werden, dass er bei wichtigen Vorhaben (z. B. Steuerreform - Steuerquote aktuell bei nur 10 Prozent!) durch das Parlament blockiert wurde, in dem traditionell vor allem Unternehmer sitzen. Da es in Guatemala fragile Wahlallianzen statt eines stabilen Zwei-Parteien-Systems gibt, hat der Präsident gewöhnlich keine parlamentarische Mehrheit, was die politische Handlungsfähigkeit der Regierung auch in Zukunft deutlich einschränken wird.

  • MU
    Mops und Wurst

    Spiegeleier sollte man aus besonders frischen Eiern zubereiten, da bei älteren das Eiweiß zu sehr auseinanderläuft und gegart womöglich gummiartige Konsistenz annimmt.

     

    Zur Zubereitung wird eine nicht zu große Pfanne (das Eiweiß sollte nicht ganz auseinanderlaufen können) mit Butter oder Butterschmalz mäßig erhitzt und vom Feuer gezogen, um die Eier vorsichtig hinein zu schlagen. Anschließend gart man zwei bis drei Minuten bei milder Hitze, salzt und pfeffert das Weiße und gibt etwas von der heißen Butter über den noch flüssigen Dotter. Dotter vor dem Garen zu salzen, macht sie zäh, sie danach zu salzen, fleckig.

  • F
    Frostling

    Danke! (@"von damals war").

    Genau die selben Gedanken habe ich auch gehabt. Ergänzend:

    Auch die TAZ gefällt sich darin, in der Sprache und Wortwahl prinzipiell (!!) negativ über linke Bestrebungen wie in Venezuela zu berichten. Keine kritische Solidarität, sondern im Stile der Gegner der sozialen Aufbrüche in Mittel- und Südamerika, zuerst draufhauen. Auch dieser Artikel hier sieht ausschließlich negatives.... warum etwa ein Ortega wiedergewählt wurde, obwohl er medial in den mainstream Medien der USA und Europas verriessen wird.... ist auch der TAZ kein Wort wert. Schade eigentlich. Selbst der DLF ist da sichtlich objektiver.

  • I
    ilmtalkelly

    Zu stark vereinfachtes Resümé eines komplexen Themas, dass mehr gefühlt als faktisch dargestellt schnell überhohlt sein könnte.Vorallem was Ortega betrifft, ist seine Personalie zwar alles andere als sauber aber Nicaragua hat schon schlechtere Zeiten erlebt.Tiefer als unter Somoza´konnte das Land nicht sinken. Ortega

    brachte das Land ein Stück nach vorn und das hat das Volk ihm nicht vergessen.

    Nicaragua wählt das kleinere Übel und das ist Ortega.

  • M
    Marvin

    Wie schön, auch mal Kritik an latinolinken Zimperlieschen zu lesen - statt immer nur am großen Zampano aus Venezuela!

     

    _____

    (Randbemerkung: Sprache bleibt sexistisch. Kein Binnen-I, keine Gender_Gap und kein Stern*chen löst die durch Zimperlieschen (f.), Klatschtante (f.), Ottonormalverbraucher (m.) & Zampano (m.) repräsentierte Manifestation von Rollenbildern ... Traurige Erkenntnis.)

  • DW
    damals war

    "Hätte er die wenigen superreichen Familien des Landes zur Kasse gebeten, hätte er die Mittel gehabt, um die drängendsten Probleme anzugehen: Armut und Kriminalität."

     

    Und hätte er das gemacht, würde er heute genauso bekämpft wie Hugo Chavez.

     

    Nicht jeder hat die Kraft.