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Kommentar Wahlen in HollandSieg mit hartem Sparkurs

Kommentar von Tobias Müller

Die rechtsliberale Volkspartei (VVD) setzt auf einen harten Sparkurs und gewinnt damit kanpp die Wahl. Ressentiments gegen den Islam und Zuwanderer stören da offenbar nicht.

E s ist ein seltsames Phänomen: Da kündigt eine Partei drastische Einschnitte und eisernes Sparen an und steigt damit aus der Bedeutungslosigkeit zur - denkbar knappen - Wahlsiegerin auf.

Die Niederlande sind nicht das erste Land der Europäischen Union, in dem diese Rechnung aufgeht - wohl aber das erste nach Ausbruch der Eurokrise. Worauf basiert der Erfolg der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), deren neoliberale Agenda noch vor wenigen Jahren in den Niederlanden schlecht gelitten war? Vorauseilender Gehorsam? Findet hier das Prinzip Konterbier Anwendung, nachdem in der Ursache auch die Lösung des Leidens liegt? Oder ist dies einfach Realpolitik im Jahr 2010?

Weniger Fragen wirft der erneute Zuwachs der Geert-Wilders-Truppe "Partij voor de Vrijheid" (PVV) auf. Dass ihrem Erfolg ein Wahlkampf vorausging, dessen Betonung sozio-ökonomischer Aspekte ihr eigentlich überhaupt nicht entgegen kam, stimmt umso bedenklicher. Fakt ist, dass sich hier ein stabiles Milieu herausgebildet hat, das offenbar auch in Zeiten sinkender Umfragewerte abrufbar ist.

Inhaltlich hat die PVV seit der Kommunalwahl im März gezeigt, dass sie keineswegs missverstandene Ultraliberale sind. "Mehr Sicherheit, weniger Kriminalität, weniger Zuwanderung und weniger Islam", fasste Wilders am Wahlabend zusammen.

Diese Formel findet sich abgesehen vom expliziten Islam-Fokus auch im Programm der VVD. Sie ist das Amalgam zwischen zwei Tendenzen, die im Wahlkampf scheinbar entgegengesetzt wirkten: Die Dominanz der Wirtschaftsthemen, hieß es, rücke die Kulturkampf-Agenda der PVV ins Abseits und ziehe ihre Wähler zur VVD. Das Wahlergebnis widerlegt dies. Es ist nicht "entweder-oder", es ist "sowohl-als-auch": VVD und PVV ergänzen sich sehr viel mehr, als sie sich ausschließen. Nicht umsonst war Wilders bis 2004 Abgeordneter der Rechtsliberalen.

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