Kommentar Wahl in Nairobi: Kenia am Rande des Bürgerkrieges
Kenia war auf gutem Wege zu einer stabilen Demokratie, genoß einen guten Ruf - und war ein Hoffnungsträger in Afrika. Doch nun steht alles auf dem Spiel.
DOMINIC JOHNSON ist Afrikaexperte der taz.
Kenia hat in Afrika einen guten Ruf. Nach Jahrzehnten Einparteienherrschaft und Korruption hat sich in den letzten zehn Jahren eine streitbare Mehrparteiendemokratie gefestigt, die Wirtschaft ist dynamisch, der Tourismus boomt. Doch nun hat es nur ein paar Tage und eine offensichtlich fragwürdige Präsidentschaftswahl gedauert - und der Hoffnungsträger steht am Rande eines Bürgerkrieges.
Reformstaaten leben oft vom Schein. In Afrika ist der besonders trügerisch. Egal wie es im Land wirklich aussieht - eine Regierung braucht häufig nur genug Bekenntnisse zu guter Regierungsführung und Demokratie abzugeben, und schon rutscht der Staat von der Liste der Konfliktherde hinüber in den Rang der Musterländer und wird mit Anerkennung und Hilfe überschüttet. Präsident Kibakis Kenia war so ein Fall. Aber wenn sich hinter den schönen Kulissen wenig ändert und die Regierung es nicht ernst meint, ist es nur eine Frage der Zeit, und der Lack ist ab. Nur selten sehen ausländische Partner schon vorher hinter die Kulissen.
Nach objektiven Kriterien ist Kenia ein ideales Bürgerkriegsland. Der Westen des Landes, Hochburg der Opposition, ist bereits in offenem Aufstand, in der Hauptstadt Nairobi rüsten sich Jugendmilizen zum Kampf. Kenias extrem tribalistische Politik favorisiert ethnische Konflikte, und es gibt in dem schnell wachsenden 36-Millionen-Einwohner-Land mit großen städtischen Slums eine große Zahl perspektivloser Jugendlicher, die sich von Warlords kaufen lassen könnten. Die wüstenhafte Nordhälfte des Landes lebt in einer Welt blutiger Nomadenkonflikte, tiefer Armut, in Nachbarschaft zu Sudan, Äthiopien und Somalia und zudem mit der Existenz einer unruhigen somalischen Minderheit.
Kenia war lange Zeit das stabilste Land und der wichtigste Vorposten westlicher Interessen der Region, es ist das wichtigste Transitland für den Außenhandel halb Ost- und Zentralafrikas. Man kann nur hoffen, dass sich die Kontrahenten dieser verunglückten Wahl versöhnen. In einer Zeit, in der sogar Südafrika kriselt und die Dauerkonfliktherde Sudan, Somalia und Kongo sowieso nicht zur Ruhe kommen, wäre ein instabiles Kenia für Afrika eine Katastrophe.
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