Kommentar Wahl in Marokko: Schwer angekratzte Monarchie

König Mohamed VI. hat die erste Welle des arabischen Frühlings überstanden. Aber er ist weit davon entfernt, die marokkanische Bevölkerung zufrieden zu stellen.

Der große Verlierer der marokkanischen Parlamentswahlen heißt König Mohamed VI. Die um ein Jahr vorgezogene Wahl sollte den Reformprozess stärken, welcher der Monarch als Antwort auf den arabischen Frühling zugestanden hat. Das Gegenteil ist der Fall.

Obwohl die neue Verfassung vom vergangenen Sommer König Mohamed VI. verpflichtet, den Regierungschef aus den Reihen der stärksten Partei zu bestimmen und der Regierung mehr Kompetenzen zugesteht als bislang, gingen die Marokkaner nur zögerlich an die Urnen. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 45 Prozent, und das bei einem Wahlzensus in den nur knapp mehr als die Hälfte aller Marokkaner im wahlberechtigten Alter eingeschrieben sind.

Ausgerechnet jetzt, wo der Monarch den Regierungschef nicht mehr frei bestimmen kann, wurden die moderaten Islamisten zur stärksten Fraktion. Das Parteienbündnis um den amtierenden Wirtschafts- und Finanzminister konnte den Sieg der islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) nicht verhindern.

Die niedrige Wahlbeteiligung ist ein Erfolg für die außerparlamentarischen Kräfte, die zum Wahlboykott aufgerufen hatten: die Demokratiebewegung 20. Februar und die größte politische Gruppierung des Landes, die verbotene, islamistische Justiz und Geistlichkeit. Sie fordern eine Demokratisierung Marokkos, die weit über die von König Mohamed zugestandenen Reformen hinausreicht.

Auch das mäßige Ergebnis der sogenannten Palastparteien ist auf die seit Februar stattfindenden Demonstrationen zurückzuführen. Die Demokratiebewegung macht Front gegen korrupte Lokal- und Parteifürsten, nennt sie beim Namen und bringt sie ganz direkt mit dem Königshaus in Zusammenhang. Noch nie ist ein marokkanischer Monarch so offen kritisiert worden wie jetzt Mohamed VI. Die Bilanz ist klar: König Mohamed VI. hat die erste Welle des arabischen Frühlings überstanden, aber er ist weit davon entfernt, die marokkanische Bevölkerung zu befrieden, geschweige denn zufrieden zu stellen.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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